23
alte Grossvater hinter den Ofen in die Ecke setzen, und
sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und
dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem
Tische und die Augen wurden ihm nass. Einmal auch
konnten seine zitternden Hände das Schüsselchen nicht
festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge
Frau schalt; er aber sagte nichts und seufzte nur. Da
kauften sie ihm für ein paar Pfennige ein hölzernes
Schüsselchen, aus welchem er essen musste. Eines Tages,
wie sie so beisammen sitzen, trägt der kleine Enkel von
vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen.
„Was machst du da?“ fragte der Vater. „Ei,“ antwortete
das Kind, „ich mache ein Tröglein, daraus sollen Vater
und Mutter essen, wenn ich gross bin.“ — Da sahen
sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an
zu weinen, holten sofort den Grofsvater an den Tisch und
liessen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch
nichts, wenn er etwas verschüttete.
29. Die gute Mutter.
Im Jahre 1796, als die französische Armee nach dem
Rückzüge aus Deutschland jenseits hinab am Rheine lag,
sehnte sich eine Mutter in der Schweiz nach ihrem Sohne,
der bei der Armee war und von dem sie lange nichts erfah¬
ren hatte, und ihr Herz hatte keine Ruhe mehr. Sie hielt
sich davon überzeugt, daß er ihr seitdem noch geschrieben
haben müßte; aber die Briefe würden, so glaubte sie, wie
dies in Kriegszeiten nicht selten geschehe, nicht angekommen
sein. „Er könnte bei der Rheinarmee sein," sagte sie, „und
der liebe Gott, der ihn mir gegeben hat, wird mich zu ihm
führen." — Und als sie ans dem Postwagen zum St. Jo¬
hannisthor in Basel heraus und an den Rebhäusern vorbei
in den Sundgau gekommen war, treuherzig und redselig, wie
alle Gemüter sind, die Teilnahme und Hoffnung bedürfen,
und die Schweizer ohnedies, erzählte sie ihren Reisegefähr¬
ten bald, was sie auf den Weg getrieben hatte. „Find' ich
ihn in Colmar nicht, so geh' ich nach Siraßburg; find' ich
ihn in Straßburg nicht, so geh' ich nach Mainz." Die an¬
deren sagten dies dazu und jenes, und einer fragte sie:
„Was ist denn euer Sohn bei der Armee? Major?" — Da