Full text: Bürger- und Haushaltungskunde

entwickelte sich Oesterreich zu einer neuen europäischen Großmacht. 
Zwar hat es im 15. und 16. Jahrhunderte nicht an Versuchen 
gefehlt, die Reichseinheit wieder fester zu gestalten; jedoch 
wurde außer der Einteilung des Reiches in 10 Kreise und der 
Einführung des Reichskammergerichts zu Speyer, später zu Wetzlar, 
nichts wesentliches erreicht. Die vielfachen Beziehungen des 
habsburgischen Hauses mit Böhmen, Ungarn, Burgund, den 
Niederlanden, Spanien und Italien gaben häutig Veranlassung, 
Deutschland in Streitigkeiten zu verwickeln, die für dieses nur 
geringes Interesse hatten. Und während die große geistige Be¬ 
wegung der Re formation für das innere Leben der Nation 
und ihre geistige Weltstellung eine ungeheuere Bedeutung gewann, 
teilte sie andererseits das deutsche Volk in eine katholische und 
eine protestantische Hälfte, die sich in der schärfsten Weise be¬ 
kämpften. Indem unheilvollen dreißigjährigen Kriege 
standen aber nicht bloß religiöse Gegensätze, sondern zuletzt der 
schroffe Gegensatz der im 17. Jahrhundert rasch aufblühenden 
französischen Großmacht gegen das Haus Habsburg wider 
einander im Kampfe. Der westfälische Friede (1648) schuf zwar 
erträglichere Verhältnisse zwischen den religiösen Parteien, be¬ 
siegelte aber auch den Vorrang Frankreichs über das Haus Habsburg. 
Sehr schlimm waren die Folgen dieses Krieges für Deutschland. 
Städte und Dörfer lagen in Trümmern; blühende Landschaften 
waren zu Einöden geworden ; weit mehr als die Hälfte der Be¬ 
wohner war durch Schwert, Hunger und Pest umgekommen; 
Handel und Gewerbe lagen völlig darnieder. Die Verarmung 
des Volkes führte zu einer grauenhaften Verwilderung desselben. 
Inbezug auf das Staatswesen hatte der Krieg die nachteiligsten 
und durch Jahrhunderte fortwirkenden Folgen. Die kaiserliche 
Gewalt wurde tief herabgedrückt, die Fürsten erhielten in ihren 
Gebieten die Landeshoheit und die Einheit des Reiches löste sich 
in einen lockeren Bund von mehr als dreihundert fast selbstän¬ 
digen Staaten auf. Hierdurch ging Deutschlands vorwiegende 
Stellung in Europa verloren und Frankreich erhob sich zum 
mächtigsten Staate Europas. 
Zwar gelang es einzelnen deutschen Ländern, vornehmlich 
Brandenburg-Preußen, sich zu ansehnlicher Macht und Größe 
wieder emporzuarbeiten; das Reich als solches aber stand auf 
schwachen Füßen. Als 1792 die Kämpfe mit der französischen 
Revolution und bald darauf mit Napoleon I. entbrannten, 
brach das morsche Gebäude zusammen. Und als Napoleon eine 
Anzahl deutscher Staaten unter seinem Protektorate zu dem so¬ 
genannten Rheinbünde vereinigte, legte der letzte deutsche 
Kaiser Franz II. im Jahre 1806 die römisch-deutsche Kaiserkrone 
nieder und erklärte, daß „das reichsoberhauptliche Amt“ er¬ 
loschen sei. 
Nach dem Sturze Napoleons wurde das alte Reich nicht 
wieder hergestellt, sondern die deutschen Staaten traten zu 
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