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die Festanordnungen zu leiten, so eilte er vorsorglich zunächst die Treppe
hinauf, vom Vorsaal aus die lebhaft bewegte, festliche Versammlung in
der Spiegelgalerie zu überschauen. Hochaufgerichtet, das Auge freudig aus
das bunte Bild vor ihm geheftet, in jugendlicher Kraft und Schönheit
unb in fürstlicher Hoheit stand er eine kurze Zeit da, bis ihm das Nahen
seines Vaters gemeldet wurde.
Um 12 Uhr verkündeten die weithin rollenden Hurrarufe, die von
dem Schloßhofe herdrangen, der Festversammlung die Ankunft des
Königs. In seinem mit vier Rappen bespannten, einfachen, offenen
Wagen ä la Daumont, den er zu den täglichen Ausfahrten benutzte,
hatte der König auch diesen Weg zurückgelegt. Eine feierliche Auffahrt
wie sonst zu Krönungsfesten konnte an diesem glorreichsten all dieser
Jahresseste des Hohenzollernhauses freilich nicht stattfinden. Zwischen
Kriegsfuhrwerk, Proviantladungen und Viehzutrieb, durch den lebhaften
städtischen Verkehr hindurch, der am Markttage herrschte, nahm der
königliche Wagen seinen Weg zur Feststätte, dem französischen Königs¬
schloß. Von fernher sandten die Geschütze des Mont Valerien und der
lebhaft aus St. Cloud feuernden Batterien ihren grollenden Donner.
Deutscherseits wurde die Beschießung an diesem Festtage nur mäßig
fortgesetzt.
Sobald der König den Wagen verlassen hatte, wandte er sich zur
Ehrenwache seines Grenadierregiments, schritt unter den Klängen der
Regimentsmusik deren Front ab und blieb nahe dem Standbilde des
großen Conde vor der Fahne stehen. Es war die Fahne, die Major
v. Kaisenberg im Gefecht von Weißenburg dem zu Tode verwundeten
Fahnenträger abgenommen hatte, und mit der er auf den Feind in den
Tod gestürmt war; in seiner Hand war die Fahnenstange mitten entzwei
geschossen worden. Der tapfere Bataillonskommandeur und zwei Offiziere
nach ihm waren, diese Fahne in der Hand, in jenem siegreichen, aber
mörderischen ersten Gefechte des großen Krieges in den Tod gesunken.
Nur die obere Hälfte mit dem in Fetzen zerschossenen Fahnentuch hielt
jetzt der Fahnenträger. Der König nahm die Fahne, betrachtete sie und
bemerkte, daß das Blut ihrer Verteidiger noch am Schafte sichtbar sei.
„Halte sie ja immer hoch!" mahnte er den Fahnenunteroffizier und
befahl sodann, daß sie sogleich in den Spiegelsaal zu den andern
Fahnen getragen werde.
Geleitet von seinem Sohne, betrat der König die ^otiellamdre äs
1a keine, die hier versammelten fürstlichen Herrschaften zu begrüßen.
Inzwischen wurde die Fahne der Ehrenwache vom Schloßhofe in die
Mitte der Stufenbühne nach der Spiegelgalerie gebracht, und auch die
Regimentsmusik begab sich durch den Seitenflur in den Festsaal.
Nach kurzem Aufenthalt meldeten die beiden Hofmarschälle, daß
alles bereit sei, und von ihnen geleitet, betrat der König die Galerie.