Melster, Lehrling und Geselle.
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Meister bat es auch bewiesen, daß er diese vielsagenden Worte des Apostels
verstanden hat. Einem Meister ans einer Großstadt, der von jenen Worten
nichts wissen wollte, sagte er: „Von der Erfüllung dieser Worte hängt das
Wohl des Einzelnen wie der Gesamtheit ab. Seitdem darauf in weiten
Kreisen wenig mehr geachtet wird, haben Stolz und Eigennutz, Lug und
Trug, Genußsucht und Unzufriedenheit, Haß und Zwiespalt sich wie wilde
Wasser über unser Volk ergossen und in Hans und Werkstätte, Schule und
Kirche, Gesellschaft und Staat namenloses Elend gebracht. Gott und der
Kirche Christi wandte man den Rücken und entfesselte im Menschen die Leiden¬
schaft und Begehrlichkeit. Friede und Wohlstand, Arbeitslust und Hoffnungs¬
freudigkeit sind aus manchem Hause und mancher Werkstätte geschwunden.
Pflichttreue und Opferfreudigkeit haben dem Leichtsinne und dem Hasse, dem
Neide und der Zuchtlosigkeit da Platz gemacht, wo Meister und Gesellen,
Herrschaften und Dienstboten sich nicht mehr als Gotteskinder lieben."
Meister Konrad lebte und handelte aber auch nach diesen Grundsätzen,
hielt alle seine Angehörigen zu Zucht und Gottesfurcht an und gab ihnen
hierin selbst das beste Beispiel. In seiner Jugend hatte sich Meister Konrad
mit vielen Kosten diejenigen Kenntnisse im Deutschen, Rechnen, in der Buch¬
führung u. s. w. erwerben müssen, ohne welche ein Handwerksmeister in der
Gegenwart nicht mehr vorwärts kommen kann. Darum freute er sich, daß
seinen Lehrlingen in der gewerblichen Fortbildungsschule des Ortes Gelegen¬
heit geboten war, sich tüchtige Schnlkenntnisse anzueignen. Gern gewährte er
daher die zum Besuch der Schul? vorgeschriebene Zeit; ja er hielt die lässigen
zum regelmäßigen und pünktlichen Schulbesuche an. Er zeigte ihnen, wie
dringend notwendig dem Handwerker diese Kenntnisse seien, wie gar mancher
geschickte Handwerker jetzt zu Grunde gehe, weil ihm die tüchtige Bildung fehle.
Meister Konrad war seinen Gesellen ein Freund, seinen Lehrlingen ein
Vater. Die Lehrlinge wies er selbst in liebevoller, väterlicher Weise in allen
vorkommenden Arbeiten an. Er drang darauf, daß sie ein offenes, freund¬
liches und heiteres Wesen zeigten und sich in ihrem Benehmen gegen ihn, die
Gesellen und Mitlehrlingc bescheiden und höflich erwiesen. Reinlichkeit und
Ordnung in der Kleidung wie in der Werkstätte machte er ihnen zur Pflicht.
Auch von den Gesellen sah er es gerne, wenn sie seinen Anordnungen und
Wünschen strenge Folge leisteten oder ihre, wenn auch abweichende Meinung
ihm bescheiden vortrugen. Er schärfte ihnen ein, die Lehrlinge nicht mit
Härte zu behandeln, oder ihnen üble Laune entgelten zu lassen, sondern in
denselben die heranreifenden Gesellen zu sehen und ihrem Mangel an Kennt¬
nissen entgegenzukommen. Verträglichkeit und Friede in der Werkstätte war
Pflicht. Auch munterte er die Gesellen stets zu ihrer Fortbildung auf; denn
später, sagte er, wenn sie sich einmal selbst ansässig machten, werde ihnen
hierzu wenig Zeit bleiben. So suchte er durch freundliche und, wenn es sein
mußte, auch ernste Weisungen seine Lehrlinge und Gesellen zu guten Sitten
anzuhalten und vor Ausschweifungen zu bewahren. Die Folge dieser Denk-
und Handlungsweise war, daß ihn auch alle liebten und ehrten. Besonders
muß man anerkennen, daß Meister Konrad ein sparsamer Mann war, der
auch seine Gesellen und Lehrlinge in erfolgreicher Weise zum Sparen an-
leitete. Wenn auch manchem jungen Mann das anfänglich nicht gefallen
wollte, so hat er es dem Meister doch später sehr gedankt.
Nie war Meister Konrad müßig. War er nicht in der Werkstätte
tätig, dann saß er an seinem Schreibtisch, machte Einträge in seine Bücher,