Das Zunftwesen im Mittelalter. 
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und gemeinsam der Stadt Bestes zu fördern suchen. Eine wichtige Auf¬ 
gabe war die gegenseitige Unterstützung für alle gemeinsamen Zwecke 
des Lebens und die Förderung des Handwerkes. Daher sorgten sie vor 
allem für den makellosen Ruf der Genossen; wer eine entehrende Strafe 
erlitten hatte, wurde aus dem Gewerbe ausgestoßen. Müßiggang, nächt¬ 
liches Fernbleiben aus dem Hause des Meisters, Trunk und Spiel wurde 
den Lehrlingen und Gesellen strenge untersagt. Die Aufnahme der 
Lehrlinge, wie die Freisprechung derselben erfolgte durch die Zunft, 
ebenso die Festsetzung der Wanderzeit der Gesellen, die Prüfung des 
Meisterstückes und die Aufnahme als Meister. Wie nur eine gewisse 
Anzahl von Meistern eines und desselben Gewerbes je nach dem Bedürf¬ 
nisse in einer Stadt zugelassen wurde, so durfte auch jeder Meister 
nur eine bestimmte Zahl von Gesellen und Lehrlingen halten und 
keinen aufnehmen, der von einem anderen Genossen entlassen worden 
war, oder der sich gegen das Handwerk oder die gute Sitte ver¬ 
gangen hatte. 
Der Meister mußte sich selbst der Arbeit unterziehen: es gab 
daher keine bloßen Unternehmer, sondern nur wirkliche Arbeiter. Er 
durfte aber auch nur gute und tadellose Ware liefern; deshalb machten 
die Zunftvorsteher oder die eigens aufgestellten Beschauer mit Abgeord¬ 
neten der städtischen Behörden regelmäßige Umgänge in den Werk¬ 
stätten zur Prüfung der fertigen Waren; ungenügende-Stücke wurden 
mit Beschlag belegt oder gar vernichtet. Auf Anfertigung und Ver¬ 
kauf schlechter Ware, auf Fälschung und Betrug standen Geld- und 
Körperstrafen. Verkaufte z. B. in Regensburg ein Bäcker schlechtes 
oder zu leichtes Brot, so ,,verlor er die Hand“, oder er wurde 
„ geschupft“. 
Um gute Ware liefern zu können, wurde deshalb auch häufig der 
Rohstoff gemeinsam angeschafft und nach Bedürfnis unter die einzelnen 
Genossen verteilt, oder es wurden bestimmte Einkaufsplätze und Ein¬ 
kaufszeiten festgesetzt. Auch war jeder Meister gleichmäßig berechtigt 
zur Benutzung der gemeinschaftlichen Anstalten der Zunft. Ebenso 
regelte die Zunft den Arbeitslohn der Gesellen und überhaupt das ganze 
Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. 
In Bezug auf den Verkauf der Erzeugnisse stand jeder Genosse 
dem andern gleich. Deshalb erließ man genaue Preisbestimmungen für 
die einzelnen Waren, setzte Ort und Zeit des Verkaufes fest, untersagte 
dem Einzelnen, mehr als eine Verkaufsstätte zu halten, und verbot den 
Hausierhandel. Das ganze Vermögen der Zunft gehörte der Genossen¬ 
schaft und diente den einzelnen Mitgliedern zur Nutzung. Denn es 
wurden nicht bloß die Kranken, Armen und Witwen unterstützt, sondern 
auch Vorschüsse und Darlehen an bedürftige Mitglieder gegeben. 
An der Spitze der Zunft stand der Erz- oder Zunftmeister; ihm 
waren die Zunftältesten oder Altmeister als Beigeordnete zur Regelung 
der Verhältnisse zur Seite gestellt. Die Einkünfte, sowie die Satzungen, 
Urkunden und das Siegel der Zunft, desgleichen die von der Obrigkeit 
gegebenen Ordnungen wurden in der „Lade“ aufbewahrt. Dieselbe 
befand .sich gewöhnlich in dem Gasthause oder der Herberge der Zunft. 
Hier versammelten sich die Zunftgenossen an bestimmten Tagen, um 
„vor offener Lade“ ihre Angelegenheiten zu besprechen und zu ordnen.
	        
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