Full text: Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen

Erster Abschnitt 
1. Rübezahl, der Geist des Riesengebirges. 
Eines Tages sonnte sich der Geist an der Hecke seines 
Gartens; da kam ein Weiblein ihres Weges daher in 
großer Unbefangenheit, die durch ihren sonderbaren Auf¬ 
zug seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie hatte ein Kind 
an der Brust liegen, eines trug sie auf dem Rücken, eines 
leitete sie an der Hand, und ein etwas größerer Knabe 
trug einen ledigen Korb nebst einem Rechen, denn sie 
wollte eine Last Laub für's Vieh laden. Eine Mutter, 
dachte Rübezahl, ist doch wahrlich ein gutes Geschöpf, 
schleppt sich mit vier Kindern und wartet dabei ihres 
Berufs ohne Murren, wird sich noch mit der Bürde des 
Korbs belasten müssen. Diese Betrachtung versetzte ihn 
in eine gutmüthige Stimmung, die ihn geneigt machte, 
sich mit der Frau in Unterredung einzulassen. Sie setzte 
ihre Kinder auf den Rasen und streifte Laub von den 
Büschen; indessen wurde den Kleinen die Zeit lang, und 
sie fingen an heftig zu schreien. Alsbald verließ die 
Mutter ihr Geschäft, spielte und tändelte mit den Kin¬ 
dern, nahm sie auf, hüpfte mit ihnen singend und scherzend 
herum, wiegte sie in Schlaf und ging wieder an ihre 
Arbeit. Bald darauf stachen die Mücken die kleinen Schlä¬ 
fer, sie fingen ihren Gesang von Neuem an; die Mutter 
wurde darüber nicht ungeduldig, sie lief ins Holz, pflückte 
Erdbeeren und Himbeeren und legte das kleinste Kind an 
die Brust. Diese mütterliche Behandlung gefiel dem Geiste. 
Allein der Schreier, der vorher ans der Mutter Rücken ritt, 
wollte sich durchaus nicht befriedigen lassen, war ein eigen¬ 
sinniger, störriger Junge, der die Erdbeeren, die ihm die 
liebreiche Mutter darreichte, von sich warf und dazu schrie, 
Th. Lesebuch. > 1
	        
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