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Gang, einen solchen Stand zu thun, dergleichen ich und
mancher Oberster auch in unserer allerernstestenSchlacht-
ordnung nicht gethan haben. Bist Du aufrechter Meinung
und Deiner Sache gewiss, so fahre in Gottes Namen fort,
und sei nur getrost! Gott wird Dich nicht verlassen.“ Im
Saale selbst richteten Manche von den Reichsgliedern
tröstende und ermuthigende Worte an ihn, und nament¬
lich rief ihm Einer die Worte Christi zu: „Wenn sie Euch
überantworten werden, so sorget nicht, was oder wie Ihr
reden wollet, denn es wird Euch zu derselbigen Stunde
gegeben werden, was Ihr reden sollet.“ Andere riefen ihm
zu, sich nicht zu fürchten vor denen, die nur den Leib
todten können. Der Reichsmarschall aber erinnerte ihn,
dass er sich darauf beschränken müsse, nur auf die ihm vor¬
gelegten Fragen zu antworten. Johann von Eck, Official
von Trier, begann die Verhandlung mit der an Luther
gerichteten Frage, ob er die aufgehäuft daliegenden Schrif¬
ten für die seinigen erkenne, und ob er deren Inhalt wider¬
rufen wolle. Die erste Frage hätte Luther, in helden-
müthiger Entschlossenheit unvorsichtig, sofort bejaht,
wenn nicht sein Beistand, der Rechtsgelehrte Schurs, da¬
zwischen gerufen hätte, man solle die Titel der Bücher
einzeln verlesen; diess geschah, und Luther bekannte sich
zu allen den vorliegenden Schriften. Auf die zweite Frage
aber, den Widerruf betreifend, antwortete Luther: „Weil
diess eine Frage vom Glauben und der Seelen Seligkeit
ist und Gottes Wort belanget, welches der grösste Schatz
im Himmel und auf Erden ist und wir billig allzumal in
Ehren halten sollen, so wäre es vermessentlich und ge¬
fährlich von mir gehandelt, etwas Unbedächtiges anzu¬
zeigen, sintemal ich weniger, denn es die Sache erfordert,
oder mehr, denn es der Sachen gemäss wäre, unbesonnen
oder unbedacht behaupten und für gewiss sagen könnte,
welches beides mich in das Urtheil bringen würde, das
Christus gefällt hat, da er sagt: „Wer mich vor den Men¬
schen verleugnen wird, den will ich auch verleugnen vor
meinem himmlischen Vater — derohalben bitte ich von
kaiserlicher Majestätauf s Allerunterthänigste und Demü-
thigste Bedenkzeit, auf dass ich ohne Nachtheil Gottes
Worts und ohne Gefahr meiner Seelen Seligkeit auf die
fürgehaltenen Fragstücke richtig antworten möge.“ Auf
diese Bitte wurde ihm vom Kaiser, jedoch mit der rügen¬
den Bemerkung, dass er zum Besinnen Zeit genug gehabt