Full text: Lesebuch für die 5., 6. u[nd] 7. Klasse der Volksschule

147. Das Elend in der Pfalz im dreißigjährigen Kriege. 649 
147. Da« Elend in der Pfalz im dreissigjährigen 
Kriege. 
An dem Elende, woran das ganze deutsche Vater¬ 
land litt, hatte die Pfalz einen vollen Anteil erhalten. 
Misshandlung und Plünderung, wie sie nur die erfinde¬ 
rische Grausamkeit dieser Zeit kennt, körperliche Leiden, 
wie die Hungersnot und furchtbare Pest in den Jahren 
1636—1638, und sittliche Verwilderung waren in der 
Pfalz mindestens so arg als irgendwo. Was im Elsafs 
am 3. März 1636 vorkam, dass eine Jungfrau den Toten¬ 
gräber zu Ruffach bat, er möchte sie, da dem Schinder 
das Pferdefleisch ausgegangen, doch mit einer unbe- 
grabenen Leiche versorgen, war nicht das einzige Bei¬ 
spiel dieser Art. Auch in der Pfalz und in der Umgegend 
von Worms stillte das Volk mit Wurzeln, Gras und 
Baumblättern seinen Hunger. Wenn dies nicht mehr 
reichte, waren gefallene Tiere vom Schindanger ihre 
Nahrung. Ja, man musste Galgen und Kirchhof be¬ 
wachen, um sie vor dem schrecklichen Diebstahl der 
Hungernden zu schützen. Nicht nur verlaufene Soldaten¬ 
horden trieben Räuberei auf den Strassen, nicht nur die 
Marodebrüder machten aus Wegelagerei und Mord ein 
Geschäft, auch von dem verwilderten Volke mordete der 
Bekannte den Bekannten, um ihn begierig aufzuspeisen. 
In der Pfalz und im Elsafs, sonst zwei blühenden Gärten 
voll von überströmender Fruchtbarkeit, kam es so weit, 
dass die Wölfe herdenweise durch das Land zogen, und 
noch 20 Jahre nachher setzte Kurfürst Karl Ludwig 
Geldpreise auf die im Winter beinahe wöchentlich er¬ 
schlagenen Bestien. Ein Zeitgenosse behauptet, es seien 
mehr Wölfe durch das Land gezogen, als Bauern auf 
dem platten Lande gewesen, und wenn auch nicht, wie 
berichtet wird, die ganze Zahl der in der Pfalz noch 
übrigen Landleute nur wenige Hunderte betrug, so war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.