Full text: Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen

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Das Sandweib hatte übrigens den Fürstbischof ganz 
recht verstanden. Schon bald nach der zehnten Stunde des 
Morgens versammelten sich in der neuen Kirche zu Eich¬ 
städt, in der von der Hand des Maurermeisters nichts mehr 
fehlte, als das Pflaster, etliche Steinmetzen, die der Bischof 
aus Tprol, dem Fichtelgebirge und dem Rheingau auf 
seine Kosten berufen hatte. Die Steinproben trugen ihnen 
ihre Gesellen in kleinen hölzernen Kästen nach und stellten 
sie neben einander auf eine lange Tafel. Darauf fanden 
sich nach und nach mehrere Grafen und Herren aus der 
Nachbarschaft ein, die schon reichlich zu dem Kirchenbau 
beigesteuert hatten und nun auch noch bei dem Pflaster ein 
Uebriges thun sollten. Endlich erschien auch-der Fürstbischof 
mit der ganzen Geistlichkeit und seinen weltlichen Beamten 
hinter sich. Und als alle beisammen waren, schien es fast, 
als sollte eine Kirchenversammlung gehalten werden, so viele 
waren ihrer. 
Der Bischof nahm nun die schön geschliffenen Proben 
aus den Kästlein, eine nach der andern, und es war keine 
darunter, die ihm und seinem Gefolge nicht gefallen hätte. 
Auch waren zum Theil die kleinen Marmelsteine in den 
Schubladen so neben einander gelegt, weiße und schwarze, 
gelbe und graue, bunte und einfarbige, daß man schon im 
Kleinen sehen konnte, wie herrlich schön ein Steinpflaster 
davon im Großen ausfallen würde. Aber als die fremden 
Steinmetzen nach einander sagten, was der Quadratfuß 
davon schon an Ort und Stelle koste, und als der Bau¬ 
meister an den Fingern herrechnete, wie viel Quadratfuß er 
brauche, und als der Rentmeister die Totalsumme in Gold¬ 
gülden aussprach, fuhr der Bischof mit der Hand hinter 
das Ohr, und sein Schatzmeister schüttelte mit dem Kopfe, 
und die Grafen und Herren machten große Augen. Ja, ein 
Mönchlein, das noch nie mehr als einige Heller im Opfer¬ 
stock seines Klosters beisammen gesehen hatte, schlug in dem 
ersten Schrecken ein Kreuz. Alle standen und sahen einander 
schweigend an. 
In diesem Augenblicke entstand unter dem Haupt¬ 
portal der Kirche ein Geräusch. Zwei Trabanten des 
Fürstbischofs wollten einen barfüßigen Bauernknaben nicht 
hereinlassen und hielten ihre Hellebarden vor. Aber der 
Knabe duckte sich, schlüpfte darunter hinweg, wie eine 
Henne unter der Gartenthüre, und drängte sich dann ohne 
Umstände mitten durch die Versammlung, bis er vor dem 
Bischof stand, dem er den Saum seines Kleides küßte.
	        
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