Full text: Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen

63 
seines Vorgängers, voll Misstrauen, Grausamkeit und Geiz; 
Blutvergiessen schien ihn zu erquicken, wie den Durstigen 
ein Trunk Wasser. So einen Oberherrn hatten Ali’sFeinde 
erwartet, und ihr verborgener Neid wurde sogleich wie¬ 
der sichtbar. Sie brachten täglich Verläumdungen gegen 
den Schatzmeister an, auf die der König anfangs nicht 
achtete, bis eine unerwartete Begebenheit diese An¬ 
klagen wahr zu machen schien. 
Der König nämlich verlangte einen kostbaren Säbel 
zu sehen, den Schach Abbas vom türkischen Kaiser zum 
Geschenk bekommen hatte, und dessen einige Hofleute 
erwähnten. Der Säbel war nicht zu finden, ob er gleich 
in dem nachgelassenen Verzeichnisse des grossen Abbas 
eingetragen war, und so fiel Schach Sefi’s Verdacht auf 
den Schatzmeister, dass er ihn veruntreut habe. Diess 
war, was seine Feinde wünschten; sie verdoppelten ihre 
Beschuldigungen und maltenihn als den ärgstenBetrüger. 
„Er hat viele Häuser zur Bewirthung der Fremden ge¬ 
baut,“ sagten sie, „und andere öffentliche Gebäude mit 
grossen Kosten aufführen lassen. Er kam als ein nackter 
Knabe an den Hof, und doch besitzt er jetzt unermessliche 
Reichthümer. Wo könnte er alle die Kostbarkeiten, wo¬ 
mit sein Haus angefüllt ist, her haben, wenn er den kö¬ 
niglichen Schatz nicht bestöhle ?“ Ali Beg trat eben zum 
König hinein, als ihn seine Feinde so verklagten, und mit 
zornigen Blicken sprach der König: „Ali Beg, Deine Un¬ 
treue ist kund worden; Du hast Dein Amt verloren, und 
ich befehle Dir, in vierzehnTagenRechnung abzulegen.“ 
Ali Beg erschrak nicht, denn sein Gewissen war rein; 
aber er bedachte, wie gefährlich es sein würde, seinen 
Feinden vierzehn Tage Zeit zu lassen, ehe er seine Un¬ 
schuld bewiese. „Herr,“ sprach er, „mein Leben ist in 
Deiner Hand. Ich bin bereit, die Schlüssel des könig¬ 
lichen Schatzes und den Schmuck der Ehre, den Du 
mir gegeben hast, heute oder morgen vor Deinem 
Throne niederzulegen, wenn Du Deinen Sclaven mit 
Deiner Gegenwart begnadigen willst.“ 
Diese Bitte war dem König um so willkommener: er 
sagte sie ihm zu und besichtigte gleich des andern Tages 
die Schatzkammer., Alles war in der vollkommensten 
Richtigkeit, und Ali Beg überführte ihn, tlassSchach Abbas 
den vermissten Säbel selbst herausgenommen und mit den 
Diamanten ein anderes Kleinod habe schmücken lassen, 
ohne dass er es in seinem Verzeichnisse bemerket. Der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.