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2. Gott grüfit manchen, der ihm nicht dankt.
(Joh. Pet. Hebel.)
Gott grüßt manchen, der ihni nicht dankt. Zum Beispiel: Wenn
dich früh die Sonne zu einem neuen, kräftigen Leben weckt, so bietet
er dir: Guten Morgen! Wenn sich des Abends dein Auge zum
erquicklichen Schlummer schließt: Gute Nacht! Wenn du mit ge¬
sundem Appetit dich zur Mahlzeit setzest, sagt er: Wohl bekomm's!
Wenn du eine Gefahr noch zur rechten Zeit entdeckst, so sagt er:
Nimm dich in acht, junges Kind, oder altes Kind, und
kehre lieber wieder um! Wenn du am schönen Maitag im
Blütenduft und Lerchengesang spazieren gehst, und es ist dir wohl,
sagt er: Sei willkommen in meinem Schloßgarten! Oder
du denkst an nichts, und es wird dir auf einmal wunderlich im Herzen
und naß in den Augen und denkst: Ich will doch anders werden,
als ich bin, so sagt er: Merkst du, wer bei dir ist? Oder du
gehst an einem offnen Grabe vorbei, und es schauert dich, so erinnert
er dich just an den, in dem das Heil zu finden ist, und sagt: Gelobt
sei Jesus Christus!
Also grüßt Gott manchen, der ihn: nicht antwortet und nicht dankt.
3. Die drei Sticke.
(Ludw. Aurbacher.)
Ein gottesfürchtiger Mann wurde einst gefragt, woher es komme,
daß er trotz aller Drangsale des Lebens solchen Gleichmut bewahren
könne. Er antwortete: „Das kommt daher, daß ich meine Augen
wohl in acht nehnle; denn alles Gute kommt durch die Sinne zum
Herzen, aber auch alles Böse."
Als er weiter gefragt wurde, wie er seine Sinne bewache, sagte
er: „Jeden Morgen, ehe ich an meine Arbeit und unter die Menschen
gehe, richte ich ineine Augen auf drei Dinge. Erstens erhebe ich sie
gen Himmel und erinnre mich, daß das Ziel meines Lebens und
Strebens dort oben sei. Zweitens senke ich sie zur Erde und be¬
denke, wie wenig Raum ich bedarf, um einst in ihr mein Grab zu
finden. Drittens schaue ich umher und betrachte die Menge derer,
denen es noch schlimmer geht als mir. Auf diese Weise getrölte
ich mich alles Leides und lebe mit Welt und Menschen zufrieden
in Gott."