54
58. Der Wirt muh vorauf.
(I. Möser.)
1. Du wunderst dich, daß meine Leute nicht schlemmen und
schlendern und überhaupt so ordentlich sind? D, mein liebes Kind,,
ich kann, was ich will, und ich wollte den Dienstboten sehen, der mir
ein einziges Mal über die Schnur hiebe. Ordnung im Haushalt ist
keine Hexerei, und ich habe ein so sichres Mittel, meine Leute vom
Schlemmen und Schlendern abzuhalten, daß ich alles in der Welt
darauf wetten will, es fällt ihnen gar nicht ein. Das sonderbarste
aber ist, daß ich dieses Mittel von meiner Viehmagd gelernt habe.
Diese wollte, als ich meinen Mann geheiratet hatte und wir unsre
Pachtung antraten, nicht früh genug aufstehen, und wie ich sie dar¬
über zur Rede stellte, gab sie mir zur Antwort: „Bei uns muß
der Wirt vorauf." Dies schallte mir durch die Ohren, und auf
einmal erleuchtet, fühlte ich die ganze Wahrheit, daß alles in der
Haushaltung durch ein gutes Beispiel erzwungen werden müsse,,
und daß es eine Torheit sei, sich um acht Uhr aus dem Bette zum
Kaffeetrinken wecken zu lassen, dabei aber von dem Gesinde zu for¬
dern, daß es um drei Uhr an der Arbeit sein und sich nicht auch
eine verstohlne Freude machen sollte.
2. Wie es des andern Morgens vier schlug, sagte ich daher zu
meinem Manne: „Der Wirt muß vorauf!" Und sowie wir
dieses einigemal befolgt hatten, war alles Gesinde so schnell bei der
Hand, daß ich seit der Zeit nicht nötig gehabt habe, ein einzigesmal
mit der Viehmagd über ihren langen Schlaf zu schelten. Anfangs
fiel es uns etwas hart, so früh die warmen Federn zu verlassen.
Wie wir es aber erst eine Zeitlang getan hatten, war es uns nicht
möglich, lange über die gewohnte Zeit darin zu verweilen.
3. Nun, mein Kind, weißt du mein ganzes Geheimnis, und-
wenn du es wohl anwendest, so wirst du nicht nötig haben, dich über
Unordnung im Haushalt zu beschweren. Andern zu befehlen und
Vorschriften zu geben, ist keine Kunst, man umß vorausgehen, wenn
einem gefolgt sein soll, aus die Bresche wie aus die Dresche,,
und der Soldat lacht über den Hauptmann, der ihm hinterm Eich¬
baume befehlen will, als ein braver Kerl die Sturmleiter hinauf zu
klettern. So handeln aber unsre meisten Haushalter; sie selbst wol¬
len schlafen, bis der Kaffee fertig ist, und hintern: Ofen sitzen; das
Gesinde aber soll sich quälen und mühsam behelfen. Das geht^ nichck
unb wird in Ewigkeit nicht gehen! Der Wirt muß vorauf!
59. Der Schoßhund und der Kettenhund.
(Gottl. Konr. Pfeffel.)
Ein liebes Hündchen war Finette:
klein, niedlich, weißer als der Schnee;