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Blut von zwei und zwanzig Jahren, und eitel heiße Jugend mit ihm. Am
andern Tag nahm Luther von seinen Freunden schriftlich Abschied und schrieb
auch seinen Eltern, wie er nach Gottes Schickung ein Mönch worden sei. Der
Vater ist übel damit zusrieden und will es nicht gestatten; er erklärt das Ge¬
lübde für einen Betrug des Teufels, sagt seinem Sohn alle väterliche Gunst
und Willen ab und heißt ihn fortan Du; zuvor hieß er ihn Ihr, weil er Ma¬
gister war. Endlich aber gibt er seinen Willen und spricht: „Gott gebe, daß
es wohl gerathe!" —-
165. Luther im Kloster.
(1505 —1524.)
Zu Anfang wurde Luther in dem Kloster gar hart gehalten: er mußte
mit dem Bettelsack in der Stadt umherlaufen, die Thüre hüten, die Glocken
läuten, die Kirche kehren und dergleichen, bis ihm auf Fürbitte der hohen
Schule, deren löblich Mitglied er gewesen, dieser schwere Dienst zum Theil ab-
genommen wurde. Er war in allen Stücken seinen Oberen gehorsam und
den Regeln seines Ordens streng getreu. Also sagt er von stch selbst: „Wahr
ist es, ein frommer Mönch bin ich gewesen, und hab so gestreng meinen Orden
gehalten, daß ich sagen darf: ist je ein Mönch in den Himmel kommen durch
Möncherei, so wollt ich auch hinein komuleii sein. Das werden mir zeugen
alle meine Klostergesellen, die mich gekannt haben; denn ich hätte mich, wo es
länger gewährt hätte, zu Tode gemartert mit Beten, Fasten, Wachen, Frieren, Lesen
und anderer Arbeit; dennoch war ich ganz traurig und betrübt, weil ich ge¬
dachte, Gott wäre mir nicht gnädig." Luther erkannte nemlich immer deutlicher in
sich den unseligen Zwiespalt, welchen St. Paulus Römer 7, 14 — 24. be¬
schreibt. Wie Paulus, seufzte auch Luther: „Ich elender Mensch, wer wird
mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!" — Das große Wort: „Ich danke
Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn" — war seinen Augen noch ver¬
borgen. Aber in schweren Kämpfen ward es ihm endlich aufgeschlossen, daß
Gott nicht bloß ge r e cht s e i, sondern auch g erech t m ach e Alle, die seiner
Gnade in Christo trauen; Gott theile aus Gnaden die wahre Gerechtigkeit dem
sündigen Menschen, mit durch den Glauben, und der Gerechte lebe seines
Glaubens. (Röm. 1, 17.) „Hier fühlete ich alsbald", so sagt er selbst,
„daß ich ganz neu geboren wäre, und nun gleich eine weit aufgesperrte Thür,
indas Paradies selbst zu gehen, gefunden hätte; sah auch die liebe heilige
Schrift nunmehr ganz anders an, denn zuvor geschehen war; lief derhalben bald
durch die ganze Bibel, wie ich nrich derselbigen erinnern konnte, und sammelte
in andern Worten nach dieser Regel alle ihre Auslegung zusammen, als daß
Gottes Werk dieses heiße: das Gott in uns wirket, — Gottes Kraft: damit
er uns kräftig uitd stark machet, — Gottes Weisheit: damit er uns weise macht,
also die andern, Gottes Stärke, Gottes Heil, Gottes Herrlichkeit und dergl.
Wie ich nun zuvor dieses Wörtlein: „Gottes Gerechtigkeit" mit rechtem
Ernst hastete, so fing ich auch dagegen an, dastelbe als mein allerlieb¬
stes und tröstlichstes Wort theuer und hoch zu achten, und war mir derselbige
Ort in St. Paulo (Röm. 1, 17.) in der Wahrheit die rechte Pforte des Pa¬
radieses."