Full text: Für die Oberklassen mehrklassiger Schulen (Teil 2)

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wasser vom Riesengebirge brachte, wurde alles überflutet. Man 
konnte mit Kähnen überall hinfahren. Wenn das Wasser sich 
verlief, hatten sich auch oft die Flußbetten verändert. Zuerst 
bauten sich Fischer und Viehzüchter auf den höher gelegnen 
Stellen an. Sie umgaben ihre Häuser mit hohen Wällen und 
suchten dann weiter dem nassen Lande Weide und Acker abzu— 
ringen. War die Weidezeit zu Ende, so gab man sich der Jagd 
und dem Fischfange hin. Der Reichtum an Fischen war ein 
außerordentlicher. Den größten Fischmarkt hatte die Sladt Wriezen. 
Von hier gingen allwöchentlich Wagen mit eingesalzenen, gedörrten 
und frischen Hechten, Aalen, Zärthen, Lachsen, Neunaugen nach 
Berlin und weiter in die Mark, ja bis nach Thüringen. Seht 
zahlreich waren die Krebse, nicht minder die wilden Wasservögel, 
wie Gänse, mehrere Arten Enten und Sumpfvögel, die noch slei— 
ßiger fischten wie die Menschen. Da gab es Storchnester auf 
jedem Hause, außerdem Scharen von Reihern, Rohrdommeln, 
Kranichen, Kiebitzen, Trappen und Schnepfen. Unermeßlich waren 
aber auch die Mückenschwärme und eine große Plage, und wer 
recht viele Arten von Mücken kennen lernen will, mag noch heute 
im Oderbruch einen guten Sammelplatz finden. Auch Fischoltern 
und Biber hielten sich früher in Menge hier auf. Sie wurden 
ausgerottet, weil sie die Dämme zerstörten, durch welche die An— 
siedler sich vor den Fluten schützten. 
3. Als unter Kurfürst Johann Georg größere Anlagen zur 
Urbarmachung des Bruchs begannen, ging der Hauptlauf der 
Oder an der Ostseite von Kuͤstrin bis zum Dotfe Güstebiese. 
Hier wandte er sich nach der Westseite quer durch die Niederung 
hindurch nach Wriezen, floß dann mit dem Faulensee und andern 
Flußarmen zusammen und blieb am Westufer bis an die Halb— 
insel Neuenhagen und weiter bis Oderberg. Hier bildete die Oder, 
an den hohen Rändern der Ukermark sich stauend, den Liepeschen 
See, floß östlich an den Bergen entlang bis Hohensaathen und 
brach hier, die frühere Hauptrichtung wieder aufnehmend, in den 
Höhenzug ein. 
Die ältesten Anlagen von Deichen waren unvollkommen und 
wurden oft wieder von der Flut mit fortgenommen. Erst unter 
dem Könige Friedrich Wilhelm J. wurden höhere Dämme auf— 
geführt, tiefere Abzugsgräben gezogen und eine Deichordnung fest⸗ 
gesetzt. Das Hauptwerk begann aber unter Friedrich dem Großen, 
als man an die Entwässerung des nördlichen Teiles des Bruches, 
des Niederbruches, ging und dazu dem Sirome von Güstebiese 
an einen geraden Lauf gab. Es wurde ein großer Kanal von 
diesem Dorfe bis Hohensaathen geführt. Dieser ist jetzt der Strom— 
Lesebuch A. IL. 
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