3. Bei diesem Manne also brachten die Sachsen ihre Klage vor.
Der Papst forderte den Kaiser zur Rechenschaft. Als Heinrich
sich dieser Zumutung weigerte, sprach Gregor den Bann über ihn
aus. Anfangs lachte der Kaiser dessen, aber nicht nur alle seine
Feinde traten jetzt offen gegen ihn auf, sondern auch diejenigen,
welche er mit Wohlthaten überhäuft hatte, verließen ihn, und als
endlich sogar die Fürsten drohten, einen andern Kaiser zu wählen,
wenn er sich nicht mit dem Papst versöhne, da entschloß er sich,
nach Italien zu reisen, um mit Gregor Frieden zu machen. Im
Winter des Jahres 1077 trat er mit seiner Gemahlin Bertha,
die er oft schwer gekränkt hatte, die ihm aber jetzt Böses mit
Gutem vergalt, und mit seinem Söhnlein die Pilgerfahrt an.
Er kam an die Alpen. Hier hatten ihm seine Feinde, welche
wünschten, daß er im Banne bliebe, alle gebahnten Wege ver—
sperrt. Da mußte er einen großen Umweg durch Frankreich
machen und über die Seealpen sich einen Weg nach Italien
suchen. ÜUber verborgene, kaum dem Gemsjäger gangbare Pfade
stieg er mühsam hinan. Und doch war die größte Eile nötig,
denn die Frist, welche ihm die Fürsten gesetzt hatten, neigte sich
schon ihrem Ende zu. Endlich war die Höhe des Gebirges er—
reicht; aber noch größere Mühseligkeiten und Gefahren bot die
andere Seite dar. Diese war so abschüssig, daß man keinen festen
Fuß fassen konnte. Auf Leben und Tod mußte der Versuch ge—
wagt werden. Die Männer krochen auf Händen und Füßen; die
Frauen wurden in Schläuchen von Ochsenhäuten an Seilen hinab—
gelassen. An den gefährlichsten Stellen wurden die Pferde voran—
gelafssen, indem man ihnen die Beine zusammenband und sie an
Stricken hinuntergleiten ließ, wobei mehrere umkamen. Mit bei—
spielloser Geduld bestand Heinrich alle Mühseligkeiten und Ge—
fahren der Reise, um sich nur wieder mit dem Papste aus—
zusöhnen.
Gregor war bei Heinrichs Ankunft gerade auf seiner Reise
zum Reichstage nach Augsburg begriffen und eben in Oberitalien
angelangt. Er erschrak, als er hörte, der Kaiser sei im Anmarsche;
denn er vermeinte, Heinrich komme, um sich für die ihm angethane
Schmach zu rächen. Und wirklich hätte Heinrich solches thun
können; denn die lombardischen Großen und Bischöfe kamen ihm
frohlockend entgegen, in der Hoffnung, er würde sie gegen den
strengen Gregor anführen. Sie boten ihm alle ihre Hilfe an;
aber Heinrich wies sie mit den Worten ab: „Ich bin nicht ge—
kommen zu kämpfen, sondern Buße zu thun.“
4. Gregor war schnell von seinem Wege abgewichen und in das
feste Schloß Kanossa zu seiner Freundin, der reichen Markgräfin
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