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Zutritt zu seiner Person. Einst, da die Wache einen gemeinen
Mann, der ihn zu sprechen wünschte, nicht hineinlassen wollte,
rief er ihr zu: „Ei, laß ihn doch herein! Bin ich denn zum
Kaiser erwählt, daß man mich einschließe?“
Rudolf behielt bis in sein hohes Alter einen sehr lebhaften
Geist. Er war ein Freund muntern Scherzes und machte bis—
weilen selbst ganz erfreuliche Späßchen. Einmal wurde er von
einem Bettler mit den Worten angeredet: „Bruder Rudolf, be—
schenke doch auch einen armen Mann mit einer kleinen Gabe!“
„Seit wann sind wir denn Brüder?“ fragte ihn der Kaiser, dem
diese Anrede von einem Bettler etwas Neues war. „Ei. ant
wortete der Arme, „sind wir denn nicht alle Brüder von Adam
her?“ „Du hast recht,“ sprach Rudolf, „ich dachte nur nicht
gleich daran,“ und mit diesen Worten laugte er in die Tasche
und drückte ihm einen Pfennig in die Hand. „Aber ein Pfennig
ist doch für einen großen Kaiser gar zu wenig,“ sagte der Bettler.
„Was,“ entgegnete Rudolf, „zu wenig? Freund, wenn dir alle
deine Brüder von Adam her so viel schenkten als ich, so würdest
du bald der reichste Mann im Lande sein.“ Nach diesem brüder—
lichen Geschenke gab er ihm vermutlich auch ein kaiserliches.
29. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe.
Auf der Burg zu Germersheim, stark am Geist, am Leibe schwach,
sitzt der greise Kaiser Rudolf, spielend, das gewohnte Schach.
Und er spricht: „Ihr guten Meister, Ärzte! sagt mir ohne Zagen,
wann aus dem zerbrochnen Leib wird der Geist zu Gott getragen?“
Und die Meister sprechen: „Herr, wohl noch heut erscheint die
Stunde.“
Freundlich lächelnd spricht der Greis: „Meister, Dank für diese
Kunde!“
„Auf nach Speier! auf nach Speier!“ ruft er, als das Spiel
geendet;
wo so mancher deutsche Held liegt begraben, sei's vollendet!
Blast die Hörner! Bringt das Roß, das mich oft zur Schlacht
getragen!“
Zaudernd stehn die Diener all; doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!“
Und das Schlachtroß wird gebracht. „Nicht zum Kampf, zum
ew'gen Frieden,“
spricht er, „trage, treuer Freund, jetzt den Herrn, den lebens—
müden!“
Weinend steht der Diener Schar, als der Greis auf hohem Rosse,
rechts und links ein Kapellan, zieht, halb Leich', aus seinem Schlosse.