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23. Die Ostsee. 
Die Ostsee oder das baltische Meer hängt durch den Sund, 
den grossen und kleinen Belt, die Eider und den Eiderkanal mit 
der Nordsee zusammen. Sie bespült zwei Provinzen unseres Va¬ 
terlandes, Pommern und Preussen. Im Ganzen umfasst sie einen 
Flächenraum von 7000 Quadratmeilen. 
In der Ostsee liegen viele Inseln; am dichtesten zusammen¬ 
gedrängt finden sich dieselben im botnischen Meerbusen. Viele 
von ihnen sind mit freundlichen Dörfern und baumreichen Ge¬ 
filden geschmückt. 
Im Vergleich zu den übrigen Meeren hat die Ostsee nur eine 
geringe Tiefe. An den meisten Stellen beträgt sie nur 50 bis 
100 Fuss. Die Ufer sind meist so flach, dass ein erwachsener 
Mensch 200 Schritt in die See hinein gehen kann. Daher hat 
die Küste viele gute Badestellen. Die Ostsee hat keine Ebbe 
und Fluth. Ihr Wasser ist meergrün, aber klarer und kälter 
als das des Ozeans, und wegen der vielen ihr zufliessenden süssen 
Gewässer auch weniger salzig. Daher geschieht es zuweilen, 
dass bei sehr strenger Kälte ein Theil von ihr zufriert. Wo im 
Sommer Schiffe fuhren, da reist man nun zu Fuss, zu Pferde und 
in Schlitten. Solche Reisen, die am gewöhnlichsten über den 
botnischen Meerbusen von Russland nach Schweden unternom¬ 
men werden, sind sehr beschwerlich und einförmig. Auf der 
weiten Fläche stehen wunderbar geformte Eisblöcke, zwischen 
denen das Auge nichts als Schnee und Eis erblickt. Kein Laut 
als das Geschleife des Schlittens, das Läuten der Schellen odei 
der Hufschlag der Pferde unterbricht die Todesstille. Kommt 
ein Schneesturm, oder entstehen unter donnerähnlichem Kra¬ 
chen weite Risse and grosse Spalten im Eise, dann wird die 
Reise gefährlich. 
Erst im Mai gelingt es der Sonne, das Eis zu vertreiben 
and die Schifffahrt frei za machen. Alsdann spielen die plät¬ 
schernden Wellen über den weissen Sand bis an die Dünen and 
laden den armen Strandfischer wie den reichen Rheder zur 
Fahrt ein. Bald schaukeln sich ans der grünen Fluth die klei¬ 
nen Fischerboote mit ihren rothen und die Seeschiffe mit ihren 
weissen Segeln, and schnelle Dampfer durchfurchen die Wogen. 
— Das freundliche Bild ändert sich aber, wenn ein schwerer 
Nordost sich mit aller Gewalt auf das Meer stürzt. Dann fär¬ 
ben sich von den heraufziehenden schwarzen Wolken die Wellen 
dunkelgrau; sie steigen immer höher und höher in ununterbro¬ 
chenem Rollen, und der überstürzende Kamm kräuselt sich mit 
weissem Schaume. Bald raset ein Sturm über die aufgeregte 
See; ein Blitz zuckt aus den Wolken, und mit dem Rollen des 
Donners mischt sich das Gebrüll der am Ufer brandenden Wo¬ 
gen. Du stehst an dem hohen Strande sicher; aber das Schiff, 
aas mitten in diesem Getöse bald auf die Spitze der Wellen ge- 
bobeiK bald in den Abgrund gesenkt wird, ringt vergeblich mit 
dam Sturme. Schon hat der Wind die Masten halb herabge-
	        
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