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fenheit des Bodens erschweren Feld- und Gartenbau; das rauhe
Klima vereitelt in den hchsten Gegenden nicht selten die größten
Anstrengungen des Landmannes. Der beste Segen der Felder sind
Hafer, Lein und Kartoffeln. Letztere vertreten meistentheils die
Stelle des Brotes. Sie geben dem Armen, oft nur mit Salz,
seltener mit Butter oder Leinöl, sein Morgen-, Mittag- oder
Abendbrot. Gar oft zählt man sie den Kindern wie Leckerbissen
zu; und sich darin satt essen zu tonnen, ist mancher Familie eine
wahre Erquickung. Ohne Getrcidezufuhr ans den anstoßenden
Provinzen würde der arme Erzgebirger oft hungern müssen.
2. Der Erzgebirger ist zufrieden mit Wenigem, dabei treu¬
herzig im Umgänge. Ganz besonders eigen ist ihm der Fleiß und
die Sorge für den Erwerb, zu der ihn die Natur zwingt; denn
fast jede Gabe läßt sie nur mit Mühe oder Gefahr sich abgewin¬
nen. Halbe Stunden weit trägt der Erzgebirger in Körben guten
Boden auf nackte Felsen. Bergabhäuge bepflügt er, die der Be¬
wohner der Ebene kaum erklettern kann. Mühsamer wird nir¬
gends der Landbau betrieben, und frühzeitiger w.ohl nirgends die
Jugend zur Arbeit angehalten als im Erzgebirge. Mit dem
sechsten Jahre schon Hilst das Kind verdienen, in der Klöppel-
stube, wie am Spinnrocken und bei der Hüttenarbeit.— Eigen ist
ferner dem Erzgebirger, gleich dern Tyroler und Savoyarden, das
gewerbfleißige Wandern in ferne Gegenden und die doch stets le¬
bendige Sehnsucht nach den Bergen und Thälern der Heimath.
Den Strichvögeln gleich, ziehen aus manchen Gegenden im Früh¬
jahre Hunderte mit Bändern, Spitzen, Blechwaaren u. s. w. in
alle Länder deutscher Zunge, ja oft nur mit Axt und Kelle, um
anderwärts zu zimmern und zu mauern. Zum Winter aber kehrt
fast Alles heim, um nicht, selten in ärmlicher Wohnung den sauer
errungenen Verdienst mit Weib und Kind zu verzehren.
3. Dichte Nebel, welche höchstens in der Mittagsstunde wei¬
chen, kündigen bem Erzgebirges den Winter an, der ihm gewöhn¬
lich in der fürchterlichsten Gestalt erscheint. Wochenlang schneit
es oft ununterbrochen fort, nicht selten so heftig, daß man sich
aus den Häusern schaufeln muß; bisweilen muß man sogar aus
dem Dache steigen, um einen Gang zur Hausthüre oder Guck¬
löcher für die Fenster der Unterstuben zu schaffen. Ein drei bis
sieben Ellen hoher Schnee ist in strengen Wintern nicht selten.
Stürme, die nirgends fürchterlicher heulen, bilden oft zwanzig bis
dreißig Ellen Hobe Windwehen, über welche der Erzgebirger, gleich
dem Lappländer, mit angeschnallten Fußbrettern oder Schnee¬
schuhen leicht hinweg gleitet. Um Unglück zu verhüten, werden
zwar Signalstangen gesetzt; doch vergeht selten ein Winter, ohne
daß Menschen im Schnee umkommen. Dessenungeachtet heißt der
Erzgebirger den Winter allemal willkommen; denn er dringt ihm