Full text: Württembergisches Realienbuch

122 
Y. Aus der Zeit von 1815 bis zur Gegenwart. 
1. Der Deutsche Kund. 
Der Sturz Napoleons machte eine Neuordnung der Staaten in 
Europa und namentlich in Deutschland notwendig. Hier war eine Rück¬ 
kehr zu den früheren Verhältnissen unmöglich. Die geistlichen Bistümer 
und die Reichsstädte verblieben bei den Ländern, zu denen sie unter Napo¬ 
leon gekommen waren; nur die freie Stadt Frankfurt a. M. und die 
Hansastädte Bremen, Hamburg und Lübeck erhielten ihre frühere Selb¬ 
ständigkeit wieder. Preußen verlangte im zweiten Pariser Frieden die 
Rückgabe der deutschredenden Landesteile im Elsaß und in Lothringen; 
allein Rußland und England waren dagegen. Im wesentlichen blieben die 
Bestimmungen des ersten Friedens maßgebend; Frankreich mußte diesmal 
noch 700 Millionen Franken Kriegskosten bezahlen und die geraubten Kunst¬ 
schätze herausgeben. Das beste Geschäft machte Österreich, das durch italienische 
Gebiete, durch Salzburg und Tirol sowie durch Länderstrecken im Osten 
eine ansehnliche Vergrößerung erfuhr. Preußen erhielt Teile vom König¬ 
reich Sachsen sowie Vorpommern, Westfalen und neuen Besitz am Rhein. 
Österreich war vom Rhein zurückgedrängt; Preußen hatte jetzt die Grenz¬ 
wacht gegen Frankreich zu übernehmen. 
Nach der Verteilung der Ländergebiete erhob sich die Frage: Was 
soll an die Stelle des früheren deutschen Reiches treten? Die Erneuerung 
der alten Kaiserwürde war bei dem Gegensatz zwischen Österreich und Preußen 
unmöglich; auch lag dies nicht im Sinn und Willen der fremden Mächte, 
die kein einiges Deutschland wollten. So kam der Deutsche Bund zu¬ 
stande, der aus 35 selbständigen Staaten und den 4 freien Städten bestand; 
diese 39 Staaten des Bundes bezeichneten immerhin einen Fortschritt gegen¬ 
über den 1800 Ländern und Ständen des alten Reiches. Der Zweck des 
Deutschen Bundes war „die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit 
Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der einzelnen 
Bundesstaaten". Österreich trat dem Bunde nur mit seinen ehemaligen 
deutschen Reichsländern bei; Preußen ließ die beiden Provinzen Posen und 
Preußen außerhalb der Bundesgewalt. Dadurch wollte jeder der beiden 
Staaten seine Selbständigkeit als europäische Großmacht wahren. Auch drei 
auswärtige Staaten waren Mitglieder des Deutschen Bundes: der König 
von Dänemark für Holstein und Lauenburg, der König der Niederlande 
für Luxemburg und der König von England bis 1837 für Hannover. Die 
oberste Regierungsgewalt des Bundes lag in den Händen des „Bundes¬ 
tags", der in Frankfurt a. M. seinen Sitz hatte und aus den Bevoll¬ 
mächtigten der einzelnen Staaten bestand.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.