Full text: Württembergisches Realienbuch

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zu den Waffen. Sie schloffen den Kaiser in der Harzburg ein; nur mit 
knapper Not entkam Heinrich und floh dem Rheine zu. Anfangs weigerten 
sich die Fürsten, dem Könige beizustehen. Nur die rheinischen Städte, allen 
voran Worms, hielten treu zu ihm. Da begingen die Sachsen eine un¬ 
glaubliche Roheit. Sie zerstörten die Harzburg, zündeten die Schloßkirche 
an, beraubten die Kapelle und rissen die Gebeine der Familienangehörigen 
Heinrichs ans der Gruft. Über diesen Frevel waren die Fürsten entrüstet. 
Sie schickten dem Kaiser ihre Dienstleute, so daß dieser ein stattliches Heer 
zusammenbrachte, mit dem er die aufrührerischen Sachsen besiegte. Heinrich 
konnte jedoch seine leidenschaftliche Natur nicht zügeln und mißbrauchte seinen 
Sieg. Er ließ die zerstörten Burgen wieder aufbauen, Fürsten, Bischöfe 
und Grafen, die er als Gegner ansah, gefangen nehmen und ihre Lehen an 
seine Getreuen verteilen. Diese Härte trieb die Sachsen zur Verzweiflung, 
und nun unternahmen sie einen folgenschweren Schritt: sie gingen den Papst 
in Rom um Hilfe an gegen den eigenen Kaiser. 
3. Heinrich IV. und Gregor VII. Die christlichen Gemeinden wählten anfangs 
selbst ihre Priester, diese den Bischof. Im Lause der Zeit gelang es den Bischöfen 
in Rom, den Vorrang vor den übrigen zu gewinnen, indem sie behaupteten, Petrus 
habe als erster Bischof in Rom gewirkt. Der römische Bischof, Papst genannt, 
wurde der oberste Geistliche der katholischen Kirche. Seit den Zeiten Karls des 
Großen war der Papst auch weltlicher Fürst, und er mußte dem Kaiser für seine 
weltlichen Besitzungen den Lehenseid leisten. Mächtige Kaiser wie Otto der Große 
hatten darauf gehalten, daß die Päpste nur mit ihrer Zustimmung gewählt werden 
dursten. Unter Heinrich IV. trat eine große Wendung ein. 
Papst Gregor VII., der Sohn eines armen Zimmermanns, hatte sich 
schon als Mönch durch Gelehrsamkeit und tugendhaften Lebenswandel aus¬ 
gezeichnet. Nachdem er ans den päpstlichen Stuhl gelangt war, wollte er das 
Papsttum von der weltlichen Herrschaft unabhängig machen, aber 
auch die Mißbräuche der Kirche beseitigen, um ihr dadurch eine größere 
innere Festigkeit zu verleihen. Deswegen-verlangte er, daß kein weltlicher 
Fürst in Zukunft einen Bischof durch Verleihung von Stab und Ring in 
sein Amt einsetze (Investitur), daß kein Bischofsamt mehr um Geld ver¬ 
liehen werde (Simonie), und daß alle Geistlichen ehelos bleiben (Zölibat). 
Mit seinen Forderungen erregte Gregor einen gewaltigen Kampf. Aber er 
blieb Sieger gegen die Fürsten, die Geistlichen, die Bischöfe und den Kaiser. 
„Wie der Mond sein Licht von der Sonne hat," sagte er, „so sind Kaiser 
und Könige und Fürsten nur durch den Papst, weil dieser durch Gott ist; 
also ist der Kaiser dem Papst untertan und ihm Gehorsam schuldig. Der 
Papst ist der Statthalter Christi auf Erden und kann Kaiser, Könige und 
Fürsten ab- und einsetzen nach seinem Gefallen." 
Einem Manne von solcher Gesinnung konnte es nur erwünscht sein,
	        
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