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Wüßtest du, was ich dir tu.
Hättest Sprache du dazu,
Ach, du sprächst mit Beben:
„Nie seh’ ich die Sonne mehr;
In dem Dunkel um mich her
Endet alles Leben.“
Aber, Körnlein, habe Mut!
Sieh, du liegst ja sanft und gut,
Hast bald ausgeschlafen;
Blickst dann aus dem Grab empor,
Blühst als Blume schön hervor,
Bist ganz neu geschaffen.
Ich auch sinke einst hinab
So wie du ins kühle Grab,
Mich auch deckt die Erde;
Aber herrlicher noch ruft
Aus der stillen, düstern Gruft
Mich des Schöpfers „Werde!“ Schmidt.
> * 113. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!
Eine arme Bauernwitwe hatte ihren Sohn durch Spinnen
ernährt und ihm, da er auf der Schule war, die Speisen über
Feld zugetragen. Dieser Sohn kam in der Welt sehr hoch hinauf
und gab einst ein großes Gastmahl. Als die Gäste sich im
Vorzimmer versammelten, wurden sie zwei Dinge gewahr, über
welche sie sich sehr verwunderten. Unter einem prächtigen Spiegel
hing ein ganz geringer Knotenstock. Sodann stand ganz oben
an der Tafel ein alter Stuhl mit hoher Lehne und neuem Über¬
züge. — Man fragte den Herrn des Hauses, was das bedeute.
Er antwortete: „Ich hatte nichts denn diesen Stab, als ich aus
meiner Mutter Hause ging. Der Stuhl aber ist meiner lieben
Mutter Spinnstuhl gewesen, an welchem sie so viel gearbeitet
hat, daß ich auf der Schule leben konnte."
Als nun die Gäste alle beisammen waren, bat er dieselben,
daß er noch einen fehlenden Gast holen dürfe. Sieh, da kommt
er schon zurück und an seinem Arm führt er sein altes, ge¬
krümmtes Mütterlein in Bauerntracht und setzt es auf den Stuhl
obenan. — Es war feine Mutter, die er also ehrte. wn*