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44. Karl Ludwigs Rückkehr in die Pfalz.
dreißigjährigen Verwüstung schwinden mußten. Wer alte Häuser ausbessere,
heißt es in einer Verordnung vom 7. Mai 1650, solle auf zwei Jahre, und
wer neue baue, auf drei Jahre von jeder Häusersteuer frei fein; wüste Felder
anzubauen machte ein Jahr frei von Abgaben; wer ganz verwilderte Plätze
anbaute, war auf drei Jahre, wer Weinberge wieder anpflanzte, auf sechs
Jahre von jeder Auslage durchaus entbunden.
Nicht nur die verjagten Pfälzer kamen wieder, auch Kolonisten ans fremden
Landern, aus der Schweiz, aus Holland. Frankreich, England sammelten sich.
Eine kleine Schar von friedlichen Bewohnern des Luzeruertales in Piemont
siedelte sich noch spät (1665) im Amt Germersheim an und erhielt außer der
Steuer-, Gewerbe- und Abzugsfreiheit ihre eigene Gemeindeverwaltung und ihre
selbstgewählten Geistlichen. Die Städte erhielten ihre munizipalen Freiheiten
bestätigt oder sie wurden mit neuen bereichert und in wenigen Jahren waren
£>ie Ruinen wieder in Sitze bürgerlichen Fleißes umgewandelt. Der Kurfürst
selbst munterte auf, wo er konnte, und half auch mit Geld, obwohl seine
eigenen Mittel so beschränkt waren, daß er zur Reise auf den Reichstag (1652)
von einzelnen Städten als Vorschuß auf die Steuern sich 50 Taler borgen mußte.
So lebendig man bemüht war das materielle Wohl zu heben und so
glücklichen Erfolg die Gunst der Natur jenen Bemühungen zn teil werden ließ,
so hatte doch an dem neu aufkeimenden Wohlstände des Landes jener edle
und freie Sinn einen großen Anteil, womit religiöse Formen jeder Art ge¬
duldet und geschützt wurden. Karl Ludwig, in der Welt und im Leben viel
Herumgetrieben und mit einer reichen Bildung ausgestattet, dachte über die
kirchlichen Formen viel freier als seine calvinisch strengen Vorfahren jemals
sich gestattet hätten. Von jener naiven Glaubenseinfalt seines Ahnen Fried -
rtel) III., dem calvinisch warmen Eifer seiner Vorfahren Johann Kasimir und
Friedrich IX . oder der ängstlich kirchlichen Befangenheit seines Vaters war in
dem mehr nach außen gerichteten, weltmännisch gebildeten Karl Ludwig nichts
zu finden: in jenem Augenblicke ein großes Glück für Land und Untertanen.
(£<? wurde nicht nach der Form des Bekenntnisses und den kirchlichen Zeremonien
gesragt, wenn man fleißige und brauchbare Bürger suchte, und Karl Ludwig
wart) einer der ersten deutschen Fürsten, der durch die Tat jenes unselige
Vorurteil widerlegte, man müsse um gut regieren zu können Untertanen einerlei
Bekenntnisses haben.
Die auswärtigen Verhältnisse hatten indessen den Kurfürsten viel be¬
schäftigt, namentlich die vollständige Durchführung des Westfälischen Friedens.
Noch wurden der Pfalz verschiedene Hoheitsrechte entzogen, ein großer Teil
von Ortschaften und Ämtern vorenthalten. Was aber den Kurfürsten am
meisten beschäftigte, war das Schicksal des getreuen Frankenthal, das die
spanische Besatzung nicht mehr räumen zu wollen schien. Die Truppen der
Spanier, Schweden und Franzosen hausten, wo sie noch als Besatzung lagen,
trotz des Friedens wie in der Kriegszeit; in Alzey ward, während sich der