Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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15, Oas Wasser. 
Da* Wasser ist kein einfacher Körper, sondern bestellt aus 
Wasserstoff und Sauerstoff. Das Wasser ist in der Natur so 
unentbehrlich, als Luft, Licht und Wärme; denn ohne Wasser 
würde die ganze Oberfläche der Erde zu einer Einöde werden, alle 
Gewächse würden verdorren, und weder Menschen noch Thiere 
könnten leben. Was aber den lebenden Geschöpfen zu ihrer Er¬ 
haltung nothwendig ist, das hat Gott der Herr in grosser Menge 
erschaffen. Das Wasser eilt in Bächen und Flüssen zum Meere, 
steigt von da als DUDSt oder Dampf hinauf in die Luft, träufelt 
als Tiiau t ergiesst sich als RegCß über das dürstende Land, oder 
fällt als Schnee und Hagel zur Erde, sammelt sich auf dem kühlen 
Gebirge oder auf dem waldigen Hügel zum Quell oder HäCil, und 
fliesst, indem es seine nährenden Gaben rings umher vertheilt, von 
neuem hinab zur Tiefe. Das Wasser folgt dem Bergmann nach in 
seine Gruben, wie dem Krystallgräber auf seine kahlen Berghohen; 
denn ebenso wie die Luft ins Wasser eindringt und in dieses sich 
versenkt, so drängt sich das Wasser in luftiger Gestalt in die 
Atmosphäre ein und giebt den Alpenpflanzen und Mosen des Hoch¬ 
gebirges in solcher Fülle zu trinken, dass kaum die Mittagssonne 
die perlenden Tropfen hinwegnimmt. Nur da, wo kein Kraut mehr 
gedeihen, wo kein Leben sich mehr erhalten kann, in den kältesten 
Höhen, wohin sich nur kühne Luftschiffer und muthige Gcbirgs- 
besteiger wagen, nur da giebt es weniger Wasser: da ist die Luft 
wasserleerer als anderwärts. 
Mehr als drei Viertel der Erdoberfläche sind zwar vom Meere 
bedeckt, und Strome, wie SCPD und SÜDipfc finden sich in den 
verschiedenen Welttheilen und Ländern in grosser Zahl. Dennoch 
kommt dieses wohlthätige Element den Landthieren, die nach ihm 
dürsten, nicht so von selber entgegen, -wie die Luft, die sie athmen, 
sondern es muss von ihnen oft und in weiter Ferne und mühsam 
aufgesucht werden. Denn das dampfförmige Wasser, das in der 
Luft schwebt, stillt ihren Durst nicht, und das salzige Wasser des 
Meeres, welches ihn nur vermehren würde, ist meist ungeniessbar. 
Aber dazu hat der Vogel seine Flügel, das vollkommenere Land¬ 
thier seine rüstigen Füsse empfangen, dass sie mit Hülfe derselben 
aufsuchen können, was ihnen fehlt; in wenig Minuten ist die 
Schwalbe, die in den Felsenritzen nistet, wenn sie der Durst treibt, 
bei der Lache angelangt, in der sich, von der Regenzeit her, noch 
einiges Wasser erhalten hat; die Heerden der sohnellfüssigen afri¬ 
kanischen Gazellen ziehen von einem Landstrich zum andern, dem 
Regengewölk nach, wenn dieses jetzt hier, dann dort seine Segens¬ 
fülle ergiesst, und jeden Morgen wie jeden Abend finden sie, von 
der fernen Weide her, am Tränkplatze sich ein. 
Viel anders, als bei den Thieren, verhält es sich bei den Ge¬ 
wächsen des Landes. Diese können nicht
	        
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