34. Der Storch urtò die Kinder.
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33. Ein dankbares Herz.
Ein Edelmann in den Niederlanden war durch den Krieg in grosse
Armut geraten und lag an Händen und Füssen lahm von der Gicht
in einem Dachstiiblein und hatte niemand als eine alte Ausläuferin,
die sich des Tages zwei- oder dreimal nach ihm umschaute. Und
als er zuletzt auch von seinem alten Rittermantel die goldenen Spangen,
Haken und Schnüre verkaufen musste, geriet er in schwere Sorgen.
An demselben Tage noch kam ein unbekannter Mann an sein Bett,
der wie ein Diener eines grossen Herrn aussah und stumm schien,
weil er weder mit einem Wort grüsste, noch auf eine Frage Antwort
gab, sondern jedesmal seinen Finger fest auf die Lippen drückte,
womit er andeuten wollte, dass ihm sein Mund verschlossen sei. Der
hatte ein sclmeeweifses Damasttuch an den vier Zipfeln in der Hand
und in dem Tuche eine silberne Schüssel, die er mit der Speise darin
auf das Tischlein neben dem Bette stellte, worauf er wieder ging,
ohne zu sagen, woher oder wohin. Der Edelmann verwunderte sich
sehr, noch mehr aber, als der Mann auch am folgenden Tage und
ferner die ganze Woche und endlich die etlichen Jahre wiederkam,
die der Edelmann noch lebte, und einen Mittag wie den andern eine
volle Schüssel brachte und die leere dagegen holte. Es ist nicht aus¬
zusprechen, welch herzliches Verlangen der Edelmann hatte, seinen
unbekannten Wohlthäter kennen zu lernen und ihm zu danken, so dass
er endlich zu dem Diener sprach : „Sagt Euerm Herrn, dass mein Ende
nahe ist, dass ich aber nicht ruhig sterben kann, ich habe denn zuvor
meinem Wohlthäter die Hand gedrückt und mich bedankt.“ Da nickte
der alte Diener beifällig mit dem Kopfe, und noch denselben Abend
erschien der Erzherzog Albrecht an dem Bette des Edelmanns, der die
Hand seines Wohlthäters mit Dankesthränen benetzte und etliche Stun¬
den darauf fröhlich von hinnen schied.
Uns Menschenkindern aber ist der Wohlthäter nicht unbekannt,
der uns so viele Jahre her aus seiner Küche eine Schüssel um die
andre zugeschickt, vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben
und unsere Fierzen erfüllet hat mit Speise und Freude. Und doch ist es
manch einem zu viel, zu einem Tischgebet seinen Kopfdeckel zu rücken.
34. Der Storch und die Kinder.
Der Storch liess auf dem Dach sich nieder
und sprach: „Da, Kinder, bin ich wieder!
Nun saget mir: was ist geschehn,
seit ich das Dörfchen nicht gesehn ? " —
„Ei“, sprach der Hans, „in diesen Tagen,
da hat sich vieles zugetragen:
mein Vater kaufte eine Kuh
und meiner Schwester neue Schuh’;
ich hab’ an Grösse zugenommen
und jetzt auch Stiefel und Hosen bekommen;