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Zimmermann, der ihnen Häuser baut. Doch vergißt er auch nicht, für
sich selbst zu sorgen. Im Frühjahre sucht er in Gemeinschaft mit seinem
Weibchen sich einen geeigneten Baum und hackt in ihn ein tiefes Loch,
wohl zwei Spannen lang, schräg in den Baum, erweitert es dann innen
und glättet ganz sauber die Wände dieses sichern Gemaches. Vorsichtig
trägt er alle Spähne ein gutes Stück vom Baume weg, damit kein böser
Knabe es an ihnen merken soll, daß er hier seine Eier und seine Jungen
habe. Auf den feinen Holzspähnen oder dem Wurmmehle legt das Weibchen
dann schöne weiße Eier und brütet die Jungen aus. Eifrigst fliegen beide
Alten dann herum und bringen unermüdlich Futter für die Kleinen.
H. Wagner.
19. Das Ei des Vogels.
Auch das kleinste Ei ist merkwürdig. Es besteht aus Flüssigkeiten
von weißlicher und gelber Farbe und aus einer Schale, welche diese um¬
gibt. Außer einer harten, kalkartigen Schale, die den, Inhalt vor allen
Verletzungen behüten muß, sind noch drei feinere Häute vorhanden, welche
verhindern, daß die feste Schale auf das Innere drückt. So hüllt eine
liebeilde Mutter ihr zartes Kindlein in mehrere Tücher ein und legt die
feinsten gerne zunächst um der Kleinen Glieder. Aber auch das Innere
des Eies ist merkwürdig. Man entdeckt in demselben außer dem Eiweiß
und dem Dotter zur Seite des letzteren eine kleine, linsenförmige Narbe.
Man nennt sie den Keim. Diese Narbe ist der Anfang zum künftigen
Vogel, zum Zaunkönig, wie zum Schwan. Selbst jene flüssigen Theile
sind nur eine Hülle; sie dienen dem werdenden Vögelchen zur ersten
Nahrung, so lange es nicht die äußere Schale sprengt und von den Eltern
gefüttert wird oder sich selbst seine Speise suchen kann. Sie sind dem
jungen Vogelkinde gleichsam die erste Muttermilch, durch welche es erhalten
wird, bis es fähig ist, stärkere Kost zu genießen.
Wenn nun die Brütewärme des Vogelweibchcns das Ei durchdringt,
regt sich der wohlverwahrte Keim und entwickelt sich zu einem Vöglein,
das endlich die umgebende Schale zersprengt und hervordringt. Die Kraft
des schwachen Thierchens, womit es hervorbricht, ist bewundernswert. Wie
kann doch überhaupt im Ei, das eines Kindes Finger zu zerdrücken ver¬
mag, solches Leben wohnen! Ja, hier ist Gottes Walten.
Hästers.
20. Unsere kleinsten Vögel.
Der Zaunkönig, einer der allerkleinsten unter unsern Vogeln,
findet sich i:r^ allen Hecken und Büschen, wo er jahraus, jahrein mit hoch¬
gehobenem Schwänze und herabhängenden Flügeln hüpft, mausartig alle
Winkel durchschlüpft und ewig munter nach Insekten umherstöbert. Im
sattesten Winter, wenn alle anderen gefiederten Sänger schweigen, sitzt er
ztvar mit aufgesträubten Federn da, gar dick und frostig, gibt aber dabei
fleißig und aus voller Kehle seine freundlichen, kurzen Liedchen zum besten.
-Lein braunes, mit einigen weißen Flecken geziertes Gefieder ist sehr warm.
Von seinem munteren possierlichen Wesen erzählt das Vöglein:
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