Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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das endlich die umgebende Schale zersprengt und hervordringt. Die 
Kraft des schwachen Thierchens, womit es hervorbricht, ist bewunderns- 
werth. Wie kann doch überhaupt im Ei, das eines Kindes Finger zu 
zerdrücken vermag, solches Leben wohnen! Ja, hier ist Gottes Wallen 
13. Die Henne. 
Der höchsten Liebe Bild, die Henne sieh, die brütet. 
Wie mit der Flügel Schild sie ihre Brut behütet. 
Sie hat der Küchlein viel, doch jedes ist gezählt, 
Und ruhig ist sie nicht, wenn ihr nur eines fehlt. 
Versammeln unter sich wird sie den ganzen Haufen 
Wie weit auch sich von ihr die Einzelnen verlaufen. 
Wie angelegen läßt sie sich es sein zu locken; 
Kannst du, verlaufne Brut, dagegen dich verstecken^ 
Und lockt dich nicht herbei der Mutterliebe Schrei, 
So schrecke dich von dort mit dem Gekreisch der Weih. 
Kriech unter, und du bist vor dem Gekreisch geborgen, 
Und für dein Futter laß der Mutter Liebe sorgen. 
(Rückert.) 
16. Das Leben der Singvögel. 
Die Singvögel leben sehr vergnügt. Ehe sie noch aus dem Et 
schlüpfen, ist ihnen schon die Wiege bereitet, in der sie groß gczogev 
werden sollen. Denn wenn sie aus dem Ei kommen, sind sie entweder 
ganz nackt oder nur mit einem grauen Flaum bedeckt, und können sich 
gar nicht helfen. Doch werden sie dann von den Alten sehr sorgfältig 
gefüttert. Sie brauchen nichts zu thun, als wenn der Vater oder die 
Mutter kommt, ihre gelben Schnäbelcheu aufzusperren und zu zwitschern. 
Dazu deckt sie die sorgliche Mutter des Nachts mit ihren Flügeln zu, 
daß sie nicht naß werden und frieren. Sind sie flügge geworden, d. h. 
sind ihnen die Federn so weit gewachsen, daß sie fliegen können, so 
verlassen sie das Nest und setzen sich auf einen Strauch oder Baum, 
freuen sich im Sonnenschein und warten, bis ihnen der Vater oder die 
Mutter ein Würmlein, eine Mücke oder ein Käferlein bringt und in 
den Schnabel steckt. Denn sich ihre Nahrung selber zu suchen, dazu 
sind sie noch zu einfältig. Haben sie endlich auch das gelernt, und 
kommt der Winter herbei, so ziehen sie in zahlreicher Gesellschaft, oder 
auch einzeln fort, um wärmere Gegenden aufzusuchen und da zu war¬ 
ten, bis der Winter vorbei ist. Wenn dann die Knospen der Bäume 
schwellen, wenn die Büsche und Hecken grün werden, ziehen sie wieder 
in ihre alte Heimath. Sie verkündigen uns dann durch ihre Wieder¬ 
kunft den Frühling. Da trifft sie indessen manchmal ein Unglück. Sie 
lassen sich nämlich bisweilen von warmer Witterung verleiten, zu bald 
auf die Reise zu gehen. Kommen dann im März oder April noch kalte 
Tage mit Schnee und Frost, so müffen gar manche von den armen 
Wanderern erfrieren oder verhungern. Bleibt aber das Wetter warm, 
so schlagen sie in einem grünen Busch oder auf einem blühenden Baume
	        
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