Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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chen, Buchfinken und Waldtauben, der Kukuk und der Wiede¬ 
hopf, die Storche und die Reiher, — alle ziehen sie fort in ferne 
Länder. Unterwegs begegnet wohl manchem ein Unglück, aber die meisten 
kommen glücklich ans Ziel. 
Und wenn nun die Sonne auch bei uns wärmer scheint — siehe! 
da kommen sie wieder, weit, weit her zu uns. Jeder sucht seinen Ge¬ 
burtsort wieder auf; und die Schwalbe findet ihr Nest wieder am Dache, 
und die Nachtigall das Gebüsch, in welchem sie vor einem Jahre sang, 
alle finden die Stätte wieder, wo sie damals fröhlich waren und be¬ 
ginnen von Neuem ihre schönen Lieder. 
Ja, das ist sehr wunderbar, und kein Mensch kann's erklären, wie's zu¬ 
geht. Wenn die Vögelchen sprechen könnten, so würden sie's wohl sagen. 
21. Der Vöglein Abschied. 
Wer klappert am Dache, mein Kindlein? horch, horch! 
Ade, lieber Bauer! so rufet der Storch. 
Nun, ade denn, du Dorf und ihr fleißigen Leufl, 
Ihr Wiesen, ihr Sümpfe, wir scheiden ja heut'. 
Gott segne das Hüttchen, auf dem wir gewohnt, 
Er lass' es vor Feuer und Stürmen verschont. 
Wenn lauer im Frühling die Lüfte dann weh'n, 
Dann giebt es ein freudiges Wiederseh'n. 
Ade! Ade! 
Vom Bache noch einmal trinkt Nachtigall schnell. 
Ade, liebe Fluren, so singet sie hell; 
Ihr habt mich erquicket mit Speise und Trank, 
Ich hab's euch gedanket mit schmetterndem Sang! 
Nun seid ihr ermüdet, wollt schlafen auch geh'n, — 
O möget im Lenze ihr wonnig ersteh'nl 
Wir Vöglein, wir können so lange nicht warten. 
Gott schirme indessen den schlummernden Garten! 
Ade! Ade-! 
Zum Fenster noch einmal blickt's Schwälblein hinein: 
Ade, liebe Kinder, geschieden muß sein! 
Ich hatte mein Nest an dem Fenster gebaut, 
Ihr habet mit Freuden die Kleinen geschaut 
Und gern auf mein Zwitschern des Morgens gehört, 
Ihr habet mir nimmer den Frieden zerstört. 
Drum möge auch euch in Freud' und Gefahren 
Der Himmel die liebenden Eltern bewahren! 
Ade! Ade! - (Löweoyetn.) 
22. Das Rothkehlchen. 
(XII. Musterstück von Kellner.) 
Ein Rothkehlchen kam in der Strenge des Winters an das Fenster 
ekles frommen Landmanns. Der grimmige Frost hatte das arme Thier- 
chen dahin getrieben, und es suchte ängstlich ein warmes Plätzchen. Der 
Landmann öffnete aus Mitleid freundlich sein Fenster. Da flog das 
zutrauliche Thierchen in die warme Stube. Aber es bedurfte auch 
der Speise und pickte daher hungrig die verstreuten Brodkrümchen auf. 
Die Kinder des Landmanns liebten das Vöglein sehr; sic legten ihm
	        
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