Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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feit mit einer Eidechse, a!S mit einer Schlange, und von Giftzähner; 
und Giftdrüsen ist keine Spur Int ihm zu finden. Wer also sonst 
keine Schm vor solchen Thieren hat, der kann eine Blindschleiche ohne 
Gefahr anfassen. Sie stellen sich übrigens, wenn man sie ergreift, sehr 
unbändig an, vertheidigen sich aber fast nie durch einen Biß. Sehr 
leicht bricht dabei der Schwanz ab, was in dem eigenthümlichen Baue 
desselben seinen Grund hat. Er besteht näiickich aus Ringen von kurzen, 
kegelförmigen, hohlen Muskeln, von denen jeder mit der Spitze in der 
Höhlung des folgenden steckt. Das abgebrochene Stück bewegt sich noch 
lange fort, wird aber bcm Thiere nicht w'- 'der ersetzt, wie bei den Eidechsen. 
Vom Mai bis September häutet sich die Blindschleiche jeden Monat 
einmal. Ihre Nahrung besteht in nackten Schnecken, Regenwürmern 
und glatten Raupen. Will sie einen Regenwurm verzehren, so nähert 
sie sich demselben sehr langsam, befühlt ihn meist eher mit der Zunge, 
sperrt langsam den Rachen aus und ergreift ihn dann endlich. Er 
windet sich aus Leibeskräften; sie wartet, bis er ziemlich abgemattet ist 
und verschlingt ihn dann nach und nach, den Kopf bald links, bald 
rechts legend und so mit den Zähnen vorwärts greifend. Zwei mittel¬ 
große Negenwürmer reichen zu einer Mahlzeit hin. Die Blindschleiche 
kann, wenn's sein muß, ein halbes Jahr fasten. 
Die Weibchen legen gegen Ende August 8 bis 10 Eier mit dünnen 
häutigen Schalen, aus denen sich das Junge sogleich herauswüidet und 
daraus seine Wege geht, ohne sich weiter um seine Mutter zu bekümmern. 
Da ihnen die Kälte verderblich ist, so verkriechen sie sich ni, Herbst 
und halten einen Winterschlaf, aus dem sie bei gutem Wetter jedoch 
schon im März wieder erwachen. 
26. Die Kreuzotter. 
Giftige Schlangen finden sich in unserem Vaterlande selten, so daß 
die Gefahr, durch dieselben gebissen zu werden, gar nicht in Vergleich 
kommt mit der in heißen Ländern. Dennoch fehlen auch diese Geschöpfe 
nicht ganz, und die Vorsicht gebietet, sie lieber durch Beschreibung 
kennen zu lernen und sich vor ihnen zu hüte», als es aus eine jrfUiimne 
Erfahrung ankommen zu lassen. Die Kreuzotter, auch die gemeine 
Viper genannt, ist die gemeinste unter den wenigen giftigen Schlaugen- 
arter; Deutschlands, kenntlich an Gest ult, Farbe und Größe, denn sie 
ist 30 bis 60*™ lang und fingerdick, der Kopf ist blute» breit und 
durch einen dünneren Hals von dem Nmnpfe geschieden, und auf dem 
Kopse sind zwei schwarze Bogen, fast wie ein lateinisches X, duber der 
Name Kreuzotter. Über den graubraunen Rücken läuft ein schwarzer 
Zickzackstrcifen. Sie findet sich an feuchten und waldigen Orten, zwischen 
Gesträuch und Felsgerölle. besonders bäufig am thüringer Walde. 
Sie sonnt sich gern an offenen Stellen auf Sternen m'.d Holzstäimnen, 
und frißt Würmer, Eidechsen, kleine Vögel und besonders Mause. 
Ihr Biß ist nach der Menge des ingedrungenen Giftes und nach 
der Wärme der Jahreszeit rnebr oder rveniger gefährlich, und bei Ver-
	        
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