Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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37. Der FlLedersteauch. 
Es giebt nicht viele Gewächse auf der Erde, die dem Menschen so 
nützlich wären, als der Flieder, dessen grünes Blätterdach mit den 
blaßgelben, reichblüthigen Trugdolden uns so oft in der Nähe der 
Dörfer, hinter Mauern und Zäunen, entgegenschimmert. Die in der 
Jugend grüne, im Alter graue und rissige Rinde, so wie die Blätter 
gebraucht man zum Färben, das alte gelbe Holz benutzt der Drechsler 
zu allerlei niedlichen Arbeiten,,, und ihr alle wißt, wie nette Knallbüchsen 
sich aus den ausgehöhlten Ästen anfertigen lassen. Wird man von 
Kopfweh geplagt, so thut ein Umschlag von frischen Blättern des Flie¬ 
ders nicht selten die besten Dienste, und bei Erkältungen ist kaum etwas 
besser geeignet, wohlthätigen Schweiß zu erzeugen, als der Genuß des 
Fliederthee's oder des Fliedermußes, welches letztere man aus den 
reifen schwarzen Beeren bereitet. Der Apotheker gebraucht außerdem 
die Wurzel und die innere Rinde der jungen Zweige, und in Schwa¬ 
ben tauchen die Leute die ganze Blüthendolde in einen Mehlteig und 
verspeisen sie als „Holderkuchle". Summa: es ist nichts am Flieder¬ 
strauch, was nicht der Mensch benutzen könnte, und darum darf es uns 
nicht wundern, daß den alten Wenden der Fliederstrauch heilig war. 
Auch können wir wohl den Worten jenes narurkundigen Mannes Bei¬ 
fall schenken, der da sagte: „Vor wvem FUeoerstrauche sollte man die 
Mütze abnehmen"' 
38. Lob der Schönsten. 
O Rose, öffne deinen Kelch Vollständig ist kein Blumenstrauß, 
Damit wir Wunder seh'n! Bist du nickt auch oabei, 
Mit Wohlgeruch bist du erfüllt, Und stnd's dre chönsten Blumen auch 
Und dabei auch so schön. Von Farben allerlei 
Du, Rose, prangst vor allen holo 
In deiner Schwestern Zahl; 
Dir gleichet nicht der stolze Mohn, 
Das Veilchen nicht im Thal. 
Doch hast du auch der Dornen viel, 
Die schützen immer dich, 
Und wenn ich einst dich pflücken will, 
So stechen Dornen mich. 
III. Kr 
39. Die 
Und weil du bist so hold und schön, 
Sinkt alles vor dich hin 
Und pflücket dich aus Lust und nennt 
Dich Blumenkönigin. 
Wie schön die Knospen um dich her, 
Wie schön ein jedes Blatt! 
O gütig, gütig muß der sein, 
Der dich geschaffen hat. 
(Rücksrt.) 
a u t e r. 
Blumen. 
Unter allem, was der Frühling Schönes bringt, ist doch nichts so 
schön, als seine Blumen. 
Ich begreife nicht, wie man anders kann, als die Blumen lieben. 
Wer nicht die Blumen liebt, muß noch nie eine Blume recht betrachtet 
haben, oder es muß etwas in ihm sein, was ihn überhaupt der reinen 
Liebe unfähig macht. 
Welch ein unschuldiges, einfältiges, demüthiges, fröhliches Wesen in 
den Blumen!
	        
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