Object: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

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Zweite Periode der Neuzeit. 
war. Nur ber Herzog, Amaliens Sohn, fehlte, weil er eine preußische 
Division befehligte. Die Herzogin, eine Schwester bes Kaisers Ale- 
xanber unb Amaliens Schwiegertochter, ftanb in bem Verbachte, ben 
Ausbruch bes Krieges veranlaßt zu haben; trotzbem eilte sie Napo¬ 
leon entgegen. „Sie sehen jetzt, was ber Krieg ist", erroiberte ber 
französische Kaiser. Der Ehrfurcht, welche er ber Herzogin - Mutter 
Amalie zollte, hatte man es zu bansen, baß ber feinblich gesinnte 
Hof rücksichtsvoll khanbelt unb Weimar geschützt würbe. Im fol- 
genben Jahre starb Anna Amalie, beweint von allen, bie ihre eblen 
Gesinnungen unb ihr hochherziges Streben zu bewunbern Gelegenheit 
gehabt hatten. 
10. Die beutfche Frauenwelt bes 18. Jahrhunberts er¬ 
hielt sich im allgemeinen ziemlich frei von französischer Frivolität; ins- 
besonbere war bie Frömmigkeit in ben Herzen ber Frauen ge¬ 
blieben. Ein stiller, häuslich er Sinn schützte vor Verberben, unb 
nur ausnahmsweise fanb Leichtfertigkeit hier unb ba in höheren Stänben 
Eingang. Dagegen machte bie von den Französinnen ererbte Putz¬ 
sucht so fcebeutenbe Fortschritte, baß sich bie Obrigkeit an manchen 
Orten veranlaßt sah, bie noch nicht verschollenen mittelalterlichen 
Kleiberorbnungen wieber zu erneuern. Die Damentrachten waren 
überreich an schweren, kostbaren Stoffen, an Seibe unb Atlas, Febern, 
Golb unb Ebelsteinen, namentlich wenn es galt, bei großen Festlich¬ 
keiten ober auf Bällen zu glänzen. Die Ballanzüge jener Zeit 
waren in jeber Beziehung ausgesucht unb überlaben. Auf bem 
Kopfe thronte ein hoher, auf einem freisrunben Wulste ruhenber, 
gepuberter, mit Blumen, Febern unb Bänbern verschwenberisch ge¬ 
zierter Haarausfatz, welcher bie natürliche Größe ber Frauen bebeutenb 
hob. Der Fuß warb burch ein zollhohes, an ber Sohle bes feibenen 
Ballschuhes angebrachtes Stelzchen genötigt, auf ber Spitze zu schweben. 
Die Taille war über ben Hüften wespenartig zusammengeschnürt. 
Über ben weitschweifigen Reif rock floß ein mit vielen Falten gar¬ 
niertes Seibengewanb unb über bieses bas mit einer Schleppe 
versehene Oberkleib von gleichem Stoff, welches zu beiben Seiten mit 
reichem Besätze geschmückt war unb vorn auseinanber fiel. Die Ärmel 
besselben waren mit Blonben reich besetzt unb reichten bis zum Ell¬ 
bogen ; lange, parfümierte Hanbschuhe beckten bie Vorberarme. Die 
Schminkkunst war raffiniert ausgebilbet. Dabei führten bie Damen 
elegante Perlmutterböschen, bie einen Vorrat von schwarzen, englischen 
Schönheitspflästerchen enthielten. Diese würben in Gestalt von Stern¬ 
chen unb Herzchen aus Wange unb Kinn geklebt unb sollten bie
	        
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