Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

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Erste Periode der Neuzeit. 
neue Anregung und erzeugte zwischen glänzenden Fürstenhöfen und 
reichen Städten einen Wetteifer, der das Wiederaufblühen der 
Künste und Wissenschaften zur Folge hatte. Griechische und 
römische Klassiker wurden begeistert gelesen, erklärt und nachgeahmt; 
neue Bildungsstätten wurden errichtet. Von Italien pflanzte sich 
die neu erwachte Geistesrichtung nach den übrigen Ländern Europas 
fort. In Deutschland entstanden Gymnasien und Universitäten, 
welche Pflegestätten griechischer und lateinischer Sprache und Litteratur 
wurden. Die Freunde der neuen Bildung, die Humanisten, 
traten in scharfen Gegensatz zu der bis dahin gepflegten mittelalter¬ 
lichen Schulweisheit, deren Anhänger, vor allen die Dominikaner, mit 
dem Namen Dunkelmänner (Obskuranten) bezeichnet wurden. Die 
Bildung fing an, sich auch unter dem Adel und Bürgerstand allge¬ 
meiner zu verbreiten, und der Geist der Wahrheit brach sich Bahn. 
Unter den Männern, welche kurz vor Luthers Austreten mit 
unermüdlicher Kraft für Verbreitung von Licht und Wahrheit wirkten, 
verdienen vor allen Erasmus von Rotterdam, Johannes 
Reuchlin und Ulrich von Hutten genannt zu werden. Eras¬ 
mus von Rotterdam (1467—1536), welcher wider seinen Willen 
in ein Kloster ausgenommen worden war, lebte in Frankreich, in 
den Niederlanden, England, Italien und in der Schweiz, und be¬ 
schäftigte sich vorzugsweise mit dem Studium der alten Sprachen und 
der Theologie. Das Endziel seines ganzen Strebens war die Ver¬ 
breitung einer reineren Erkenntnis des Christentums. 
Darauf waren vorzugsweise diejenigen seiner Schriften berechnet, 
welche die Richtung der Zeit in kirchlichen Dingen unerbittlich und 
streng geißelten, seine „Gespräche" und sein „Lob der Narrheit". 
Die letztere Schrift, 1507 auf einer Reise geschrieben, erlangte noch zu 
Lebzeiten des Erasmus 27 Auflagen und wurde in alle lebenden Sprachen 
übersetzt. Die Narrheit, Beherrscherin eines großen Reiches, das alle 
Stände umfaßt, hält sich selbst eine Lobrede; kein Alter, kein Stand 
wird dabei geschont. Mit besonderer Vorliebe verweilt sie bei den Geist¬ 
lichen, wirst ihnen Unwissenheit und Trägheit vor und nimmt sie da¬ 
rum hart mit. Auch das Neue Testament gab er 1516 zu 
Basel in der griechischen Urschrift mit der verbesserten lateinischen 
Übersetzung heraus. Erasmus war ein Mann von gründlicher Gelehr¬ 
samkeit und beißendem Witze; er verstand es, Irrtümer nachzuweisen, 
aber nicht die Wahrheit zu lehren; aus Liebe zur Ruhe nahm 
er an der Reformation keinen unmittelbaren Anteil. Er wollte sich 
an das Bestehende anschließen und nicht als Gegner der Kirche auf-
	        
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