Full text: Ferdinand Hirts Neues Realienbuch für die Provinz Brandenburg

B. Brandenburgisch⸗Preußische Geschichte. 121 
lang geruht hatte, wieder aufgenommen wurde, und daß man die Wieder— 
herstellung der herrlichen Marienburg in Angriff nahm. Das Stammschloß 
der Hohenzollern entstand auf seinen Befehl in neuer Pracht. — Gelehrte Männer 
waren bei dem Könige in hohem Ansehen. Beim Unterricht in den Schulen 
ließ er großes Gewicht auf Religion legen. 
8. Erwerbungen. Ende des Königs. Im Jahre 1850 erwarb Preußen 
von den Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen durch einen 
Vertrag die Stammlande der Hohenzollern. Von Oldenburg wurde ein Gebiet 
am Jadebusen angekauft. Hier begann man bald nachher mit dem Bau 
eines preußischen Kriegshafens, der 1869 unter dem Namen „Wilhelmshaven“ 
eröffnet wurde. Dadurch gewann die junge Kriegsflotte für ihre 
Unternehmungen in der Nordsee einen wichtigen Ausgangs- und 
Stützpunkt. — 1857 verfiel der König in eine unheilbare Krankheit, so daß er 
das Land nicht mehr selbst regieren konnte. Da er kinderlos war, wurde sein 
Bruder Wilhelm mit dem Titel „Prinzregent“ als sein Vertreter eingesetzt. 
1861 starb der König nach schwerem Leiden. 
XII. Wilhelm J. (1861 -1888). 
1. Seine Jugend. Wilhelm J. wurde am 22. März 1797 als zweiter Sohn Fried⸗ 
rich Wilhelms III. und der Königin Luise geboren. In seiner Jugend war er sehr 
schwächlich; deshalb erzog und pflegte ihn seine Mutler mit besonderer Liebe und 
Sorgfalt. Einst schrieb sie an ihren Vater: „Unser Sohn Wilhelm wird, wie sein Vater, 
einfach, bieder und verständig.“ Der junge Prinz zeigte große Neigung zum Soldaten— 
leben; aus diesem Grunde wurde schon vom neunten Lebensjahre ab seine militärische 
Ausbildung mit Eifer betrieben. Früh mußte er den Ernst des Lebens kennen lernen. 
Als er 10 Jahre alt war, brach der Unglücklche Krieg über das Vaterland herein, und 
3 Jahre später traf ihn durch den Tod seiner geliebten Mutter der schwerste Schlag. 
Beim Beginn des Befreiungskrieges durfte er seines schwächlichen Körpers wegen 
nicht mit in den Kampf ziehen, was ihn sehr schmerzlich berührte. Als er aber nach der 
Schlacht bei Leipzig ins Feld gerufen wurde, zeigte er vor dem Feinde großen Mut, 
so daß ihm sein Vater das Eiserne Kreuz verlieh. 
2. Verbesserung des Heerwesens. Als Wilhelm J. die Regierung ange— 
treten hatte, suchte er zunächst Preußens Ansehen, das durch den Vertrag zu 
Olmütz tief gesunken war, wieder zu heben. Dazu brauchte er vor allem ein 
starkes, gutgeschultes Heer. Seit 1814 bestand zwar die allgemeine Wehrpflicht; 
aber sie konnte nicht durchgeführt werden, weil man die Stärke des Heeres 
unverändert gelassen hatte, während die Bevölkerung Preußens seitdem von 
12 auf 18 Millionen gestiegen war. So blieb ein großer Teil der waffenfähigen 
Jünglinge vom Militärdienste frei, während viele Familienväter als Landwehr— 
männer zum Kriegsdienst verpflichtet waren. Deshalb ließ der König fortan 
bedeutend mehr junge Männer zum Heeresdienst ausheben als bisher. Die 
Waffen wurden durch Einführung des Zündnadelgewehrs und der Hinterlade— 
kanonen erheblich verbessert. Die Dienstzeit sollte fortan für die Linientruppen 
drei Jahre, für die Reserve vier Jahre und für die Landwehr 1. und 2. Auf—
	        
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