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ward, wenn drei, vier Jungen in der Eile fertig gemacht werden sollten, 
mit Wachs und Pomade drauf geschlagen, daß die hellen Thränen 
über die Wangen liefen. Und wann die armen Knaben nun in die 
Gesellschaft träten, mußten sie bei jedermänniglich, bei Herren und 
Damen, mit tiefer Verbeugung die Ruͤnde machen und Hand küssen. 
Das Possierlichste bei diesen Abkonterfeiungen und Nachtonter— 
feiungen des feinen und vornehmen Lebens war noch der Gebrauch 
der hochdeutschen Sprache, welcher damals in jenem Inselchen auch 
für Überaußes und Ungemeines galt und auch wohl gelten mußte, weil 
wenige damit ordentlich umzugehen verstanden, ohne dem Dativ und 
Accusativ in einer Viertelstunde wenigstens einige hundert Maulschellen 
zu geben. Es gehörte nämlich unerläßlich zum guten Ton, wenigstens 
die ersten fünf bis zehn Minuten der Eröffnung und Versammlung 
einer Gesellschaft hochdeutsch zu radbrechen; erst wann die erste Hitze 
der feierlichen Stimmung abgekühlt und die ersten Beklemmungen, 
welche der Überfluß von Komplimenten verursacht, über eine Tasse 
Kaffee verseufzet waren, stieg man wieder in den Alltagssocken seines 
gemütlichen Plattdeutsch hinunter. Auch französische Brocken wurden 
hin und wieder ausgeworfen, und ich weiß, wie ich mich in mir er— 
lächelte, als ich das Welsche ordentlich zu lernen anfing, wenn ich an 
das Wun Schur! Wun Schur! (bon jourt) und ä la Wundör! 
( la bonne heure), oder an die Hadron (flacon), wie das gnädige 
Fräulein B. ihre Wasserflasche nannte, zurückdachte, und wie die Jagd— 
junker und Pächter, wann sie zu Roß zusammenstießen, sich mit solchen 
und ähnlichen Floskeln zu begrüßen und vornehm zu bewerfen pflegten. 
115. Erinnerungen aus dem Jdahre 1812. 
Ernst Moritz Arndt. Erinnerungen aus dem äußeren Leben. 3. Aufl. 
Leipzig, 1842. 
— In Berlin fand ich ein unendliches Getümmel und Gewimmel 
von den verschiedensten Menschen und den verschiedensten Ansichten, 
Gedanken, Hoffnungen und Verzweiflungen, wie und wann das Ge— 
witter, das wieder schwarz am Horizont hing, losplatzen werde; und 
wohin sich jeder stellen solle; wohin der König von Preußen sich stellen 
werde. In diesen Wirbel geriet ich frisch hinein, und natürlich geriet 
ich in den Kreis, worin mein alter Freund Reimer und meine Freunde 
vom Winter 1809 sich bewegten. Dies war ein Leben und Weben, 
ein Wogen und Treiben der Kräfte. Die Herzen schlugen vollern 
Schlag, die Liebe fand vollste, seligste Umarmung; der Haß und Zorn, 
damals ganz jugendliche, frischeste Gesellen, welchen noch keine Polizei 
die Flügel gestutzt hatte, gaben einen Augenblück fast eben so große 
Seligkeiten. Da habe ich viele trefflichste Männer zuerst gesehen und 
kennen gelernt und war mit einem Male mitten in einem großen 
gewaltigen Männerbunde, der einen einzigen Gegenstand seines Be— 
dürfnisses hatte, Haß und Abschüttelung und Vernichtung der Welschen.
	        
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