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Sclaverei der Männer, nnd führte die Gewohnheit ein, daß sie in ven Ge¬
sellschaften der Männer, was sonst nie geschah, erscheinen durften, sobald sie
ausländische Kleidung trugen. Dadurch wurden die rohen Sitten der Männer
anständiger. Auch legte er Schulen, Buchdruckereien an, ließ viele vorzüg¬
liche Werke des Auslandes ins Russische übersetzen, erleichterte das Schicksal
der Leibeigenen — die Leibeigenschaft aufzuheben, wäre noch zu früh ge¬
wesen — munterte seine Russen auf, ins Ausland zu reisen, und machte
andere nützliche Veränderungen in allen Zweigen der Verwaltung. Viele
alte Russen waren freilich damit unzufrieden; aber das hielt Petern nicht
auf, für die Veredelung seines Volkes ununterbrochen thätig zu sein.
Es ist schon gesagt worden, daß dem großen Czar ganz besonders am
Herzen lag, den Seehandel Rußlands recht blühend zu machen. Dazu war
aber weder Archangel noch Asow hinlänglich; desto geschickter waren dazu
die Häfen der Ostsee. Diese befanden sich aber damals größtentheils in den
Händen der Schweden. Finnland, Jngermannland, Esthland und Liefland ge¬
hörten dem Könige Karl XII. (1697—1718), und da dieser, als er seinem
Vater Karl XI. (1660—1697) auf dem Throne folgte, erst 15 Jahre alt
war, so glaubten seine Nachbarn, es könne keinen passenderen Zeitpunkt geben,
als den jetzigen, um Schwedens Macht und Einfluß zu demüthigen und ihm
alle die Provinzen wieder abzunehmen, die es früherhin, unter Gustav Adolphs
und Karls X. Gustavs Regierung, an sich gerissen hätte. Czar Peter,
August II. von Polen (1697—1773) und Friedrich IV. von Dänemark
(1699—1730) schlossen ein Bündniß, in Folge dessen sie über den königlichen
Knaben herfallen, und ihm die gewünschten Länder entreißen wollten. Wirk¬
lich schien auch Karl XII. ein sehr mittelmäßiger Kopf, und der Erfolg ganz
sicher zu sein. Friedrich IV. brach in Holstein ein, welches Karls Schwager
gehörte, und August belagerte Riga. Als Karl die Nachricht davon erhielt,
sagteer: „Es ist wunderlich, daß meine beiden Vettern Krieg haben wollen.
Es mag also darum sein. Wir haben eine gerechte Sache; Gott wird uns
wohl helfen. Ich will die Sache erst mit dem Einen abmachen, und hier¬
nächst kann ich allezeit mit dem Andern sprechen." Von der Zeit an schien
ein neuer Geist in Karl gefahren zu sein, und er zeigte bald, daß ein großer
Heldensinn in ihm wohne. Schon sein Aeußeres verrieth den außerordent¬
lichen Mann. Er war in seinen männlichen Jahren groß und schlank ge¬
wachsen, von gerader Haltung, und lebhaft strahlenden Augen. Sein Anzug
war allerdings nach unsern Begriffen sonderbar. Sein Rock war dunkelblau,
mit übergoldeten Knöpfen besetzt, die Unterkleider strohgelb, die Haare hinten
kurz abgeschnitten, und vorn hoch in die Höhe gekämmt; die Stulpen seiner
Handschuhe gingen bis an die Ellenbogen. An den hoch über die Kniee
reichenden Stulpstiefeln trug er lange eiserne Spornen; um den Leib hatte
er ein einfaches Degengehäng geschnallt, an welchem der lange Degen hing.
Den kleinen dreieckigen Hut trug er, sobald er vom Pferde gestiegen war,
in der Hand. Er sprach nur wenig, aber mit Nachdruck und Verstand.
Ueberhaupt besaß er vielen Geist, einen Muth, der au Verwegenheit gränzte,
und einen so festen, eisernen Willen, daß keine Hindernisse ihn schrecken konn¬
ten. Seine Haupttugendeu waren Wohlwollen und Redlichkeit; aber weil er
gegen sich selbst streng war, so ließ er auch in seinen Forderungen an Andere