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zu Fuß ohne Gefahr hinabsteigen konnte. Aber die Wiederkehr des Tages, 
an dem der König in den Bann gekommen war, stand nahe bevor und 
duldete keine Verzögerung der eiligen Reise. Deswegen mietete Heinrich 
um Lohn einige von den Eingeborenen, welche der Gegend kundig unb 
an die schroffen Alpengipfel gewöhnt waren. Diese gingen ihm und seiner 
Begleitung über die steilen Gebirgswände voran unb ebneten ben Nach¬ 
folgenden die rauhen Pfade mit allen Hilfsmitteln, bie sie wußten. Mit 
biefen Führern gelangten sie unter größter Schwierigkeit auf ben Scheitel 
bes Gebirges. 
Hier aber schien es unmöglich weiter fortzukommen. Der schroffe 
Abhang bes Berges war durch den eisigen Frost so schlüpfrig, daß jedes 
Hinuntersteigen unmöglich schien. Die Männer krochen bald auf Händen 
und Füßen, bald stützten sie sich auf die Schulter» ihrer Führer. Bisweilen 
glitt ihr Fuß aus dem schlüpfrigen Boden aus und sie fielen und rollten 
weiter fort. Endlich aber langten sie doch mit großer Lebensgefahr in 
der Ehene an. Die Königin unb die anderen Frauen, die in ihrem 
Dienste waren, setzte man aus Ochsenhäute, und die zum Geleite voraus¬ 
gehenden Wegweiser zogen sie darauf abwärts. Von den Pferden ließen 
sie einige mit Hilfe gewisser Vorrichtungen hinunter; andere schleiften sie 
mit zusammengebundenen Füßen hinab, wobei viele beim Ziehen umkamen, 
mehrere untauglich würben und sehr wenige lebend u d unverletzt der 
Gefahr entgingen. 
Heinrich wird vom Barme losgesprochen. (1077.) 
In Italien verbreitete sich die Nachricht, der König sei angelangt. 
Da strömten zu ihm wetteifernd alle Bischöfe und Grafen Italiens und 
nahmen ihn mit den größten Ehren auf. Binnen wenigen Tagen sammelte 
sich um ihn eine große Heeresmacht. Unterdessen verließ der Papst die 
Stadt Rom und beschleunigte die Reise nach Augsburg, um bort am 
Lichtmeßtage anzukommen; die Markgräfin Mathilde geleitete ihn. Als 
nun der Papst unvermutet hörte, baß ber König schon in Italien angelangt 
fei, begab er sich auf Anraten ber Mathilde in das sehr feste Schloß 
Kanossa. Hier wollte er warten unb erforschen, ob ber König komme, 
um die Verzeihung seines Vergehens nachzusuchen — oder um die Schande 
des Kirchenbannes mit den Waffen zu rächen. 
Auch die Bischöfe, bie zum Papste reisten, hatten allerlei Übel zu 
erdulden. So wurde der Bifchof von Babenberg (Bamberg) von dem 
bayerischen Herzog Wels unterwegs gefangen genommen; dieser nahm ihm 
alles, was ihm gehörte, und sperrte ihn in ein sehr festes Schloß. Die
	        
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