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Und als das Volk kam, unt mit ihm zu klagen 
Und Lenchen nach der Ruhestatt zu tragen, 
Rief er gefaßt: „Laßt euer Trauern sein, 
Zum Himmel schickt ich eine Heil'ge ein. 
Ich gab sie ihm, wie er sie mir gegeben; 
Wer also stirbt, der hat das ero’ge Leben." 
Julius Sturm. 
c) Luther als Wohlthäter. Trotz geringer Einnahmen war Luther 
freigebig wie selten ein Reicher. Ein Mann des größten Gottvertrauens, hat 
er sich nie um zeitliche Güter Sorge gemacht; sein Herz hing nicht am Irdischen. 
Freilich schützte er, während er überall die Not seiner Nächsten zu lindern be¬ 
flissen war, seine eigene Familie zu wenig vor einer sorgenvollen Zukunft. Als 
ihn einer seiner Freunde mahnte, zum Besten seiner Familie doch ein kleines 
Vermögen zu sammeln, gab er zur Antwort: „Das werde ich nicht thun; denn 
sonst verlassen sie sich nicht auf Gott und ihre Hände, sondern auf ihr Geld." 
Notleidenden gab Luther, so lange er noch etwas hatte, ja man kann 
sagen, auch dann noch, wenn er nichts mehr hatte. Einst kam ein Mann, der 
sich in Geldnot befand, auf Luthers Studierzimmer und bat unt eine Unter¬ 
stützung. Luther hatte gerade kein Geld, doch besann er sich, holte das Paten¬ 
geld feines jüngstgeborenen Kindes und gab es dem Bittenden. Als feine Käthe 
sich später über diese unbedachte Großmut ihres Mannes etwas ungehalten 
zeigte, meinte er: „Laß es gut sein! Gott ist reich, er wird anderes bescheren." 
Einst kam ein um seines Glaubens willen Vertriebener. Luther hatte 
nur noch einen schönen Joachimsthaler, den er sorgsam aufbewahrte. Aber nach 
kurzem Bedenken fuhr er in den Beutel und sprach: „Joachim, heraus, der 
Herr Christus ist da." 
Einst kam ein armer Student zu ihm, der Wittenberg verlassen wollte, 
und bat, da es ihm an Reisegeld fehlte, um eine Unterstützung. Luther war 
ohne Geld und feine Frau desgleichen. Deshalb war er in großer Verlegen¬ 
heit. Da fiel fein Blick auf einen vergoldeten Becher, den er vor kurzer Zeit 
vom Kurfürsten geschenkt erhalten hatte. Er lief hinzu, erfaßte das Kleinod 
und reichte es dem Studenten. Dieser war darüber bestürzt; auch Frau Katha¬ 
rina schien sehr überrascht. Als Luther das bemerkte, drückte er mit Kraft den 
Becher zusammen und sagte: „Ich brauche keinen silbernen Becher. Da, nimm 
ihn, trage ihn zum Goldschmiede, und was er dir dafür giebt, das behalte!" 
Ein andermal versetzte er die silbernen Hochzeitsbecher seiner Frau. Einem 
guten Freunde konnte er einmal nicht 8 Gulden borgen. Traurig schrieb er 
ihm: „Drei silberne Becherlein sind gegen 50 Gulden verpfändet, das vierte 
ist wieder verkauft, das Jahr hat 100 Gulden Schulden gebracht." Sein Wahl- 
spruch war: „Geben ist seliger, denn nehmen."
	        
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