diese selbst iu das Burgverließ (Turm), aus dem sie nur gegen ein hohes Lösegeld
entlassen wurden. Traf das Lösegeld nicht ein, so lagen die Elenden in dem Turm
auf faulem Heu und Stroh und irr bitterer Kälte oft so lange, bis ihnen die Beine
abfaulten. Zuweilen ließ man ihnen auch eine Hand abhauen. Alles das ging den
Rittern ungestraft hin. Die Ufer des Rheins u. a. Flüsse hatten sie dicht mit Burgen
besetzt, und jedes vorüberfahrende Schiff mußte ihnen einen Zoll zahlen, wenn es
nicht ausgeplündert werden wollte. Auch der Landmann hatte viel von ihnen zu er¬
dulden. Sie entführten ihm nicht selten sein Vieh von der Weide oder ans dem
Stalle, mähten ihm in der Nacht das Getreide ab, nahmen ihm sein Hausgerät und
steckten dann, um sein Elend voll zu machen, noch seine Hütte in Brand. Das nannten
sie „auspochen". Händeringend sah der Bauer ihrem wüsten Treiben zu; denn
Recht tvnßte er nirgends zu finden.
\7. Rudolf von Habsburg. 1273—1291.
1. Fanftrecht. Bon 1254—1273 hatte das deutsche Reich keinen Kaiser. Da
gab's weder Gesetz noch Recht im Lande; der Starke fiel über den Schwachen her
und nahm ihm Hab und Gut, ja, tvohl gar das Leben. Es war niemand da, den
Übelthäter zu strafen und den Schwachen zu beschützen; ein jeder war auf sich selbst
angewiesen. Das war die schlimme Zeit des,,Faustrechts". Besonders übel hausten
damals die Raubritter. (Vgl. S. 25!)
2. Rudolfs Wahl. Um den traurigen Zuständen des Reiches ein Ende zu
machen, beschlossen die Kurfürsten*) mit Ausnahme Ottokars von Böhmen, den
Grafen Rudolf von Habsburg (im Aargau in der Schtveiz) zum deutschen Kaiser zu
wählen. Er war nicht reich an Land und Leuten, aber seine Tapferkeit und Frömmig¬
keit loaren allgemein bekannt und lenkten die Wahl aus ihn. Seine Krönung wurde
zu Aachen mit großem Jubel gefeiert.
„Denn geendet nach langem, verderblichein Streit,
war die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
und ein Richter war wieder auf Erden" rc.
Als Rudolf nach der Krönung die Fürsten belehnen lvollte, tvar das Zepter
nicht sogleich zur Hand. Schnell ergriff er das Kruzifix und sprach: „Dies Zeichen,
durch das die Welt erlöst ist, mag uns wohl als Zepter dienen!" Dann berührte
er damit die Fürsten. Um auch die Zustimmung des Papstes zu erlangen, mußte
Rudolf auf alle kaiserlichen Hoheitsrechte und Besitzungen in Italien verzichten.
Dieser Verzicht wurde ihm jedoch nicht schwer, da er längst eingesehen, daß die ita¬
lienischen Besitzungen dem deutschen Reiche nur Unheil gebracht hatten. Italien er¬
schien ihm wie die Höhle des Löwen, von der der Fuchs sagt: „Ich sehe wohl die Fu߬
stapfen derer, die glücklich hineinkamen, aber nicht derer, die glücklich herauskamen."
3. Rudolf und der Priester. Als Graf ritt Rudolf einmal mit seinem Knappen
auf die Jagd. Da hörte er, wie man erzählt, plötzlich mitten im Walde ein Glöcklein.
Als er daraus losritt, sah er einen Priester, der eben mit bloßen Füßen den ange¬
schwollenen Bach durchwaten wollte, da die Brücke, die über den Bach führte, von
den reißenden Fluten hinweggerissen tvorden loar. Auf seine Frage erfuhr der Graf,
daß der Priester auf dem Wege zu einem Sterbenden sei, ihm das heilige Abendmahl
zu reichen. Schnell sprang Rudolf vom Pferde und übergab es dem Priester, der mm
darauf zu dem Kranken ritt. Er selbst aber bestieg das Tier seines Knappen. Als
nun der Priester am nächsten Morgen das Pferd dankend zurückbrachte, da sagte
*) Die drei Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln und die vier weltlichen Fürsten:
König von Böhmen, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg.