34
werden. Sie muß vielmehr erst durch das „Fegefeuer" vou allen bösen Lüsten und
Begierden gereinigt werden. Doch kann die Qual im Fegefeuer dadurch verkürzt
werden, daß man für die Verstorbenen „Messen" (Gebete) lesen läßt. Reiche Leute
setzten in ihrem Testamente oft große Summen für solche Messen aus. Diese Lehre
brachte daher der Kirche viel ein. Aber noch einträglicher als die Lehre vom Fege¬
feuer war die Lehre vom Ablaß. Wenn nämlich ein Übelthäter vom Priester zum
Fasten, zur Geißelung, zur Wallfahrt re. verurteilt war, so konnte er sich durch Geld
von diesen Strafen loskaufen. Er erhielt dann einen Schein, daß ihm die Strafen
erlassen seien. Beim Volke bildete sich daher allmählich der Glaube aus, daß man
sich durch Geld auch von den ewigen Strafen frei machen könne.
An die Stelle der allgemeinen Beichte war die Ohrenbeichte (Bekenntnis jeder
einzelnen Sünde) getreten, der Heiligendienst sowie die Verehrung der Reliquien hatte
überhand genommen, und beim Abendmahl entzog man den Laien den Kelch. Be¬
sonders aber erregte das gottlose Leben vieler Geistlichen Anstoß. Ein Papst wurde
wegen Meineids, Gotteslästerung, Mordes und Ehebruchs abgesetzt, und Johann
XXIII. war sogar in seiner Jugend Seeräuber gewesen. Dieser letztere Papst hatte
noch zwei Gegenpäpste, und so gab es drei Päpste auf einmal, die sich gegenseitig ver¬
fluchten und in den Bann thaten. Und wie das Haupt, so die Glieder. Die Priester
waren meist sehr unwissend und führten nur zu oft kein Gott wohlgefälliges Leben.
Das Volk wurde in Dummheit und Aberglauben erhalten. Wer in der Bibel las,
wurde sogar als Ketzer bestraft.
2. Huß. Gegen die Irrlehren der Kirche trat am Ende des 14. Jahrhunderts
zuerst Johann Huß, Prediger und Professor in Prag, öffentlich ans. Freimütig geißelte
er mit scharfen Worten die Sünden der Geistlichen, den Ablaß, den Aberglauben des
Volkes re. und mahnte zur Umkehr. Besonders eiferte er auch dagegen, daß man dem
Volke den Kelch beim h. Abendmahl entziehe. (Nur der geweihte Priester durfte den
Wein trinken, damit kein Tropfen des Blutes Christi verschüttet würde.) Die Priester
aber waren erbost über Huß und brachten die Sache vor den Papst. Dieser verbot
ihm das Predigen, that ihn in den Bann und sprach über die Stadt Prag, die es mit
Huß hielt und die Ablaßbulle unter dem Galgen verbrannt hatte, den Kirchenbann
aus. (Während des Kirchenbannes blieben die Kirchen verschlossen, die Glocken ver¬
stummten, kein Geistlicher durfte den Toten zu Grabe folgen, linb die Taufen und
Trauungen mußten auf dem Kirchhofe vollzogen werden.)
3. Konzil zu Konstanz. Bald darauf bewog Kaiser Sigismund den Papst
Johann XXIII., eine Kirchenversammlung nach Konstanz zu berufen. Hier sollte eine
Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern vorgenommen werden. Huß ver¬
langte, von dem Konzil gehört und beurteilt zu werden. Der Kaiser gab ihm einen
Geleitsbrief, worin er ihm seinen besonderen Schutz zusagte, und auch der Papst
versprach, es solle ihm kein Leids geschehen, und wenn er auch des Papstes Bruder
ernwrdet hätte. Als aber Huß in Konstanz ankam, ward er noch vor dem Verhör in
ein ekelhaftes, ungesundes Gefängnis geworfen. Sigismund, hierüber unwillig, ward
von den Geistlichen durch die Worte beruhigt: „Einem Ketzer braucht man das ge¬
gebene Wort nicht zu halten." Huß verfiel in eine schwere Krankheit und war dem
Tode nahe. Kaum genesen, ward er in die Domkirche geführt, wo das Konzil ver¬
sammelt war. Aller Augen sahen auf ihn. Er verteidigte sich in einer gewaltigen
Rede. Man forderte jedoch, er sollte seine als ketzerisch bezeichneten Lehren abschwören.
Er aber sprach: „Wenn man mich aus der Bibel eines Irrtums überführt, so will
ich gerne widerrufen, wo nicht, so werde ich bis in den Tod meinem Glauben treu
bleiben!" Da verdammte ihn das Konzil zum Feuertode.