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schieden. Er versprach zu kommen, wenn ihm sicheres Geleit zugesagt würde. Das
geschah. Aber seine Freunde zitterten dennoch für ihn und erinnerten ihn an das
Schicksal Hussens. Luther aber sprach: „Und ob sie zwischen Wittenberg und Worms
ein Feuer anzündeten, das bis zum Himmel ginge, so wollte ich doch mitten hindurch¬
gehen." Am 4. April 1521 fuhr er, von einem Ordensbruder und zwei Freunden
begleitet, in einem kleinen hölzernen Rollwägelchen ab, das von zwei Bauernpferden
gezogen wurde. Voran ritt ein kaiserlicher Herold. In Oppenheim baten ihn seine
Freunde nochmals zu fliehen. Luther aber sprach: „Wenn so viel Teufel in Worms
wären als Ziegel auf den Dächern, ich wollte doch hinein." An allen Orten war sein
Wagen von einer neugierigen Menschenmenge umringt, und etliche hundert Reiter
begleiteten ihn bis nach Worms.
8. Der Reichstag zu Worms. Am folgenden Tage wurde er zur Reichsver-
sammlung beschieden. An der Thür des Saales stand der alte Kriegshauptmann
Georg von Frundsberg. Als er Luther sah, klopfte er ihm aus die Schulter und
sprach: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen schweren Gang, desgleichen ich
und mancher Oberster auch in der allerernstesten Schlacht nicht gethan haben. Bist
du aber rechter Meinung und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes Namen fort
und sei nur getrost, Gott wird dich nicht verlassen." Luther trat jetzt in den Saal.
Auf erhabenem Throne saß der Kaiser, umgeben von vielen Kurfürsten, Herzögen,
Bischöfen, Grafeil und Rittern. Auf einer Bank lagen Luthers sämtliche Schriften
aufgeschlagen. Gefragt, ob er diese Bücher geschrieben, bejahte es Luther ohne Zögern.
Als er aber zmn Widerruf seiner Lehren und Schriften aufgefordert wurde, bat er
sich einen Tag Bedenkzeit aus. Die Nacht daraus verbrachte er in inbrünstigem Ge¬
bet, und am 18. April trat er, die Bibel im Arm, mit aller Entschlossenheit wieder
in den Saal ein. Mutig verteidigte er seine Bücher und Lehren in einer zwei¬
stündigen Rede in deutscher und lateinischer Sprache und schloß mit den Worten: „Es
sei denn, daß ich mit Zeugnissen der h. Schrift oder mit öffentlichen, Hellen und klaren
Gründen überwunden werde, sollst kann und mag ich nicht widerrufen. Hier stehe
ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen!" Die ganze Versammlung wal-
bewegt, ilnd der Kaiser sagte: „Der Mönch redet unerschrocken und mit großem
Mute." Die Anhänger des Papstes drangen in den Kaiser, dem Ketzer sein Wort
nicht zu halten, sondern ihn sogleich verbrennen zu lassen. Aber der jugendliche Kaiser
erwiderte: „Ich will nicht mit Sigismund erröten. Und wenn nirgend in der Welt mehr
Treue zu finden wär', so soll man sie bei dem deutschen Kaiser finden." Obwohl er
llun gegen Luther die Acht aussprach, bewilligte er ihm doch freies Geleit auf 21 Tage.
9. Auf der Wartburg. Als Luther auf der Rückreise von Worms bei Eisenach
durch einen Wald fuhr, sprengten plötzlich fünf als Wegelagerer verkleidete Ritter aus
ihu zu, ergriffen ihn, zogen ihn aus dem Wagen und schleppten ihn mit sich in das
Gebüsch. Dann setzten sie ihn auf ein Pferd und brachten ihn ans die nahe Wartburg.
Luther zog hier die Kleidung eines Ritters an, trug hohe Stulpstiefeln, ließ sich Bart-
und Haupthaar wachsen und führte den Namen „Junker Georg". Nur der Schloß-
hauptmann kannte ihn. Jene verkappten Ritter aber waren von Friedrich dem Weisen
geschickt, der den Geächteten ans diese Weise den Augen seiner Feinde zu verbergen
wußte. Während man nun Luther tot glaubte, saß er ruhig aus der Wartburg und
übersetzte die Bibel in die deutsche Sprache, wodurch er sich ein unsterbliches Verdienst
um das deutsche Volk erworben hat.
10. Luthers Familienleben und Tod. Luthers Gemahlin, eine ehemalige
Nonne, hieß Katharina von Bora. Mit ihr führte er eine glückliche Ehe. „Ich bin
im Besitze meiner lieben Küthe reicher und glücklicher als Krösus", sagte er. An seinen