Kap. 41. Innere Zustände Deutschlands im sog. Zeitalter Ludwig's XIV. 365
berg den Widerstand zu brechen. Und als unter dem großen Kurfürsten so viele
um ihres Glaubens willen aus ihrem Vatcrlandc vertriebene reformirte Fran¬
zosen, Pfälzer, Holländer und Waldenser im Brandenburgischcn Auf¬
nahme fanden und dadurch, wenigstens in den preußischen Ostseeprovinzen, die
reformirten Gemeinden zusehends wuchsen, so trat durch die Gründung eines
eigenen reformirten Ki r ch c n d tr e et o r i um s 1713 die reformirte Kirche
förmlich neben der lutherischen auf, welche ebenfalls — jedoch viel später (seit 1750)
— durch ein eigenes lutherisches O b c r c o n si st or i um vertreten wurde.
Doch verloren beide Kirchen in Preußen sowohl, wie in andern deutschen
Ländern durch den immer mehr zunehmenden Territorialismus (d. h. durch
die U n t e r w e r f u n g d e r K i r ch e u n t e r den Staat und s e i n e k t r ch-
lichen Verordnungen) allmählig ihre Unabhängigkeit und bezugs¬
weise Selbständigkeit. Dadurch litt das innerste Wesen der Kirche und die Staa¬
ten selbst mußten fortan den Verfall und die Ohnmacht der
Kirche schwer empfinden.
II. Was die katholische Kirche betrifft, so hat sich in ihrem Schooße
nach dem westfälischen Frieden durch den G-egensatz d e r Jansenisten gegen
die Jesuiten eine tiefgehende und weit in's 18. Jahrhundert hineinrcichende
Spaltung erhoben. Denn die Janscnistcn oder Anhänger Jansen's, eines Lehrers
der Theologie auf der Universität Löwen in den spanischen Niederlanden (ff 1638),
vcrtheidigten die Lehre Augustin's von der Gnade lind dem
freien Willen: und obgleich der Papst fünf Hauptsätze derselben als calvt-
nisch verdammte und die Jesuiten alles aufboten, ihre Gegner zu stürzen und
ihnen das auch in Frankreich und in andern Ländern gelang, so erhielt sich doch
der JanscniSmus nicht nur in den Niederlanden mit einer eigenen Kirchen-
ordnung (unter einem Erzbischoff und zwei Bischöffen), sondern er wirkte auch
in andern Ländern, besonders aber in Frankreich, als ein geheimer Gegensatz
gegen den (tridcntintschcn) Katholicismus lange fort.
Da überhaupt seit jenem Frieden die europäischen Staaten auch in kirch¬
licher Hinsicht eine vom päpstlichen Stuhle mehr unabhängige Haltung annahmcn,
so wurde die katholische Kirche wieder mehr in die Lage der Selbstvcrtheidigung
zurückversetzt.
(3.) Wissen schast und Kunst. Durch den 30jährigen Krieg und dessen
Nachwirkungen lag deutsche Wissenschaft und Kunst lange darnieder, ja
artete in fast gänzliche Barbarei aus, und selbst noch bis in die Mitte des
18. Jahrhunderts war sie der Herrschaft des Aberglaubens, der Unwiffcnheit und
Geschmacklosigkeit hingcgcbcn. Die deutsche Sprache namentlich lag in den
schmählichsten Fesseln barbarischer Sp r a chm en g er ei, und die besten Werke
jener Zeit sind dadurch verunziert. Selbst die größten deutschen Gelehrten huldigten
dem französischen Geist; nur Leibnitz (1646—1716), dieser bedeutende, fast alle
Hauptwiffenschaftcn umfassende Geist, leuchtet zugleich als großer VatcrlandSfrcund
aus jener verwälschten Zeit hervor; weil er aber meist in lateinischer und fran¬
zösischer Sprache schrieb, so konnte er auf das Volk wenig Einfluß gewinnen. —
In der Naturwissenschaft erfand Otto von Guerikc (ff 1686) die
Elcktrisirmaschinc und die Luftpumpe.— Die Kunst war in allen ihren Zweigen
von französischem Ungcschmack beherrscht, und besonders die Dichtkunst auf's
tieflte gesunken. Denn die in diese Periode fallende zweite schlesische Dichter-