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obert. Nun gelüstete es ihn, auch Preußen zu bezwingen. Er
errang den Sieg. In der unglücklichen Schlacht bei Jena wurde
das preußische Heer gänzlich geschlagen. Bald erzwang Napoleon
einen Frieden, in dem der König die Hälfte seines Reiches ver¬
lor. Da begannen schwere Tage für das Königshaus und für
das preußische Volk. Napoleon führte unsere Männer und Jüng¬
linge auf seine Schlachtfelder, unsere treuen und mutigen Bürger
in seine Gefängnisse, unsere Reichtümer in seine Schatzkammern,
unsere Denkmäler in seine Hauptstadt. Groß war der Schmerz
des Volkes. In den Häusern hörte man das Angstgeschrei, wie
einst auf dem See Genezareth: „Herr, hilf uns, wir verderben!"
Der König aber trat vor das Angesicht Gottes und sprach: „Herr,
unserer Väter Gott, bist du nicht Gott im Himmel und Herrscher¬
in allen Königreichen? In deiner Hand ist Kraft und Macht.
Siehe, es kommen die Feinde, uns auszustoßen aus dem Erbe,
das du uns gegeben hast. Wir wissen nicht, was wir thun sollen;
aber unsere Augen sehen auf dich!"
2. Und der Herr half. Im Jahre 1812 unternahm Na¬
poleon einen gewaltigen Kriegszug gegen das große russische Reich.
Eine halbe Million Krieger folgte ihm. Nachdem er mehrere
Schlachten gewonnen hatte, zog er in Moskau ein. Hier aber
ereilte ihn das Verderben. Die Russen zündeten Moskau an,
daß die Flammen hoch gen Himmel schlugen. Der Kaiser der
Franzosen mußte zurück. Nun kam der Winter. Scharf und schnei¬
dig weheten die Winde über die stachen Felder Rußlands. Tau¬
sende sanken erfroren zu Boden, und der Schnee begrub sie.
Scharen von Wölfen folgten ihrem Zuge; die flinken Kosacken
auf ihren kleinen, schnellen Rossen und mit den spitzen Lanzen
ließen die ermüdeten Franzosen nicht zur Ruhe kommen. Da sank
mancher hin, der nimmer wieder aufstand. Je weiter das Heer
kam, desto größer wurde die Verwirrung, desto schrecklicher das
Elend. Nahrung gab es nicht; Pferdefleisch war ein köstlicher
Leckerbissen. Die Franzosen hatten keine warmen Kleider, sich
vor der grimmigen Kälte zu schützen. Ihre Glieder erfroren.
Es fehlte an Holz, sich des Abends im Lager ein erwärmendes
Feuer anzuzünden. Ihr Heer schmolz zusammen. Der Weg, auf
dem sie zogen, war mit Leichen von Menschen und Vieh wie be¬
säet. Die Kanonen und Wagen ließ man stehen; die Gewehre,
Säbel und Tornister warf man weg. Endlich, endlich nach schreck¬
lichen Leiden erreichte man die Grenze; aher die allermeisten
Krieger waren verhungert, erfroren. Nur 30000 kehrten wieder.
Die Leichen ihrer Brüder lagen auf den Schneefeldern Rußlands,
eine Beute der Wölfe. Gott hatte - den mächtigen Eroberer
getroffen.