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Hirsches. Selbst auf der Flucht erscheint seine Haltung edel, wenn er auf seinen
schlanken Beinen mit Blitzesschnelle davoneilt und in furchtbaren, aber gewandten
Sprüngen über 3 m hohe Zäune hinwegsetzt. Die großen Augen (,„Lichter“) ver—
leihen dem Gesichte einen klugen Ausdruck. Die Farbe des Hirsches dient ihm als
Schutzfarbe, besonders im Tannenwalde: im Sommer ist das Kleid rotbraun gefärbt,
im Herbste aber werden die Haare grau und länger, so daß der dichte Winterpelz
eine mehr fahle Färbung annimmt. Die Kälber zeigen anfangs weiße Flecke.
Hier und da findet man auch ganz weiße Hirsche.
2. Geweih. Nur die männlichen Hirsche haben ein Geweih. Es wird von
einem kurzen Knochenzapfen, dem „Rosenstock“, getragen, alljährlich aber im Früh—
linge abgeworfen und dann binnen 4 Monaten durch ein neues ersetzt. Das
erste Geweih erhält das Hirschkalb nach 7 Monaten. Es besteht aus 2 ein—
fachen, kurzen Stangen oder Spießen, weshalb der einjährige Hirsch „Spießer“
genannt wird. Im 2. Jahre werden die neuen Spieße bedeutend länger. An
ihrem untern Teile bildet sich dann eine nach vorn gerichtete Sprosse, so daß das
Geweih gabelförmig erscheint. Der Hirsch heißt nun „Gabler“. In dieser Weise
bildet das ganze Geweih in jedem Jahre 2 neue Zacken mehr. Im 3 Jahre
heißt der Hirsch Sechsender, im 4. Jahre Achtender u. s.w.
3. Aufenthalt und Nahrung. Die Hirsche lieben mehr gebirgige als ebene
Gegenden, vor allem aber große, zusammenhängende Laubwälder. Sie leben in
Rudeln; nur die alten, mürrischen Männchen Kapitalhirsche) gehen meistens ihre
eignen Wege. Gewöhnlich ziehen die Hirsche abends von ihrem Standorte auf
die Asung, und erst gegen Morgen kehren sie wieder zurück. Ihre Nahrung ist nach
den Jahreszeiten verschieden. Sie besteht aus Gras, grüner Saat, Eicheln, Kar—
toffeln, Baumsprossen und in der Not aus Baumrinde. Auch werden die Hirsche
im Winter in einigen Gegenden (z. B. am Harz) auf eigens dazu erbauten Futter—
plätzen mit Kastanien, Eicheln, Hafer, Heu u. s. w. gefüttert.
85. Der Bunlspecht.
1. Körper, zum Klettern eingerichtet. Der Specht findet seine hauptsäch—
lichste Nahrung (Insekten und deren Larven) unter der Baumrinde. Darum ist
er auch vorzugsweise zum Aufenthalte auf Bäumen gezwungen. Zu diesem Baum—
leben befähigt ihn ganz besonders seine ausgezeichnete Kletterkunst. Diese verdankt
er in erster Linie seinem „Kletterfuße“. Von den 4 Zehen desselben sind 2 nach
hinten gerichtet. Dadurch erhält der Specht eine sichere Stütze beim Klettern. Auch
der Schwanz ist ihm beim Klettern behilflich. Er besteht aus starken Federn, mit
denen er sich beim Klettern fortschnellt und beim Sitzen, namentlich beim Hämmern,
stützt. Wie notwendig ihm beim Klettern der Schwanz ist, ersieht man daraus, daß
er nur baumaufwärts, niemals baumabwärts, mit dem Kopfe nach unten, klettert.
2. In der Werkstatt. Zum Zerhauen der Rinde benutzt der Specht seinen
Schnabel. Dieser ist auch ganz vorzüglich dazu geeignet. Er ist gerade, vorn meißel—
förmig abgestutzt, so daß der Specht mit ihm wie mit einem Spitzhammer Rinde
und Holz zersplittern kann. Nicht mit Unrecht hat man deshalb den Specht den
„Zimmermann unter den Vögeln“ genannt. Seine Werkstatt ist der Wald.
Kaum graut der Morgen, so geht unser „Zimmermann“ an die Arbeit. An
den dicken Tannen und Eichen probiert er seine Kunst. Horch, wie das hackt
und hämmert! Jetzt klingt's hell, jetzt aber hohl. Der dumpfe Klang verrät
dem Spechte, daß hier das Holz morsch ist. Deshalb vermutet er an dieser Stelle
eine Larve. Sofort fängt er an zu meißeln. Die Splitter fliegen umher, und —
die Larve wird hervorgezogen. Wenn die Käfer u. a. Insekten, die an der andern
Seite des Baumes wohnen, das Klopfen hören, so stecken sie das Köpfchen aus dem