138 
66. Die Stiergefechte in Spanien. 
Zu den Hauptvergnügungen der Spanier gehören die Stiergefechte. 
Bricht ein feierlicher Kampftag an, so ruhen alle Geschäfte. Schon tags 
vorher wogen die Menschen auf dem Amphitheater herum, um sich den 
Schauplatz recht zu betrachten, wo die Stiere gehetzt werden sollen. Die 
oberen Sitze haben eine Decke in Form einer offenen Galerie und werden 
gewöhnlich von den Damen eingenommen; die übrigen Sitzreihen sind ganz 
offen. Sie find 21/2 m über dem Kampfplatze erhaben, um alles recht 
gut übersehen zu können. Der innere Raum wird von einer zweiten 
Schranke umgeben; es ist eine 2 m hohe Mauer, die zwischen sich und 
den Zuschauern einen Raum von etwa zehn Schritten Breite läßt. In 
dieser Mauer sind mehrere Öffnungen, durch welche die Fnßkämpfer, wenn 
der Stier ihnen zu heftig zusetzt, schlüpfen können; gewöhnlich springen sie 
aber mit großer Gewandtheit über die Mauer hinweg. Zwar springen die 
Stiere zuweilen nach; aber dann schlüpft der Fußkämpfer geschwind durch 
eine der Öffnungen wieder zurück, und der Stier wird durch ein Thor auf 
den Kampfplatz zurückgetrieben. — Vor dem Tage eines Stiergefechts gehen 
wenige der geringen Leute zu Bette, um nur rechtzeitig einen Platz ein¬ 
nehmen zu können. Schon von Nachmittag an wogt es durch die Straßen 
nach dem Amphitheater. Die Stiere, die zum Kampfe bestimmt sind, werden 
von den Feldern auf eine weite Ebene nahe bei der Stadt getrieben, und 
achtzehn von ihnen nach dem Kampfplatze geführt. Diese Scene hat einen 
eigentümlichen, wilden Charakter. Alle Liebhaber des Schauspieles, zu 
Pferde und mit Lanzen bewaffnet, eilen nach dem Orte, wo die Tiere 
Weiden. 
Die Hirten treiben die zu der Ehre des Kampfes ausgewählten Stiere 
zusammen und leiten sie nach der Stadt durch zahme Ochsen, die an Half¬ 
tern geführt werden und am Halse tieftönende Glocken tragen. Von allen 
Seiten wird die Herde von den Reitern umringt, und so im Trab bis etwa 
eine Viertelstunde vom Amphitheater gebracht. Von hier an ist ein Weg 
für die Stiere abgepfählt, der bis zum Kampfplatze führt; doch geben die 
Seitenbalken nur eine schwache Schutzwehr gegen die unbändigen Tiere. 
Das Amphitheater gewährt, wenn es voll Zuschauer ist, einen über¬ 
raschenden Anblick. Die meisten erscheinen in der andalusischen Kleidung. 
Die Mäntel der Herren sind entweder dunkelblau oder scharlachrot, und 
in der schönen Jahreszeit von Seide. Ihre kurzen, offenen Jacken zeigen 
den lebhaftesten Farbenwechsel, und die weißen Schleier, welche die Damen 
bei dieser Gelegenheit zu tragen pflegen, schicken sich vortrefflich zu ihrem 
übrigen munteren Anzuge. Endlich erscheint die Stunde des Anfangs. Der 
Schauplatz — die Arena — muß nun geräumt werden. Ein Regiment 
Fußvolk marschiert zu dem einen Thore herein, über die Arena hin, treibt 
das Volk vor sich her, und wenn der Platz menschenleer ist, ziehen die Sol¬ 
daten zu einem andern Thore hinaus. Jetzt ziehen die Doreros (Stier¬ 
fechter), von denen die eine Hälfte blaue, und die andere Scharlachmäntel 
trägt, in zwei Reihen über die Arena, um den Behörden ihre Verbeugungen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.