256 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Frankreich. 
bitterer und ganz Frankreich zerfiel in zwei Parteien. Das 
wurde endlich so arg, daß Burgund seinen Feind ermorden ließ. 
Diese Mordthat war um so abscheulicher, da sich Burgund kurz 
vorher aufs feierlichste mit ihm ausgesöhnt hatte. In einer 
Kirche hatten sie miteinander das heilige Abendmahl genossen, 
sich zärtlich umarmt und dabei Vergessenheit alles Geschehenen 
angelobt. Das Alles that Burgund nur, um seinen Feind desto 
sicherer zu machen. Eines Abends nämlich, als Orleans bei Hofe 
im Louvre gespeist hatte, wurde er um 8 Uhr abgerufen. Er 
begab sich mit wenigen Begleitern fort, wurde aber plötzlich auf 
der Straße von Meuchelmördern angefallen und mit Aexten, 
Keulen und Schwertern todtgeschlagen. Am folgenden Tage rief 
Jeder: „Das kann kein Anderer als Johann von Burgund an¬ 
gestiftet haben." So war es wirklich; auch leugnete er es gar 
nicht, und doch wagte man wegen seiner großen Macht nicht, ihn 
zur Strafe zu ziehen; ja, der schwache König fertigte ihm einen 
förnilichen Freibrief aus, und man stellte sich am Hofe, als 
wenn man von seinen Entschuldigungsgründen völlig überzeugt 
wäre. So sah es damals mit der Gerechtigkeit aus! — 
Uni das Unglück voll zu machen, brach auch wieder ein« 
neuer Krieg mit England aus. Die Engländer kamen herüber 
und besiegten die Franzosen in .einer der blutigsten Schlachten bei 
Azincourt unweit Calais (1415), in welcher nicht nur viele 
der Vornehmsten gefangen, sondern auch allein 8000 Edelleute 
erschlagen wurden, so daß es wenige adelige Familien in Frank¬ 
reich gab, die nicht einen oder mehrere Verluste zu beweinen ge¬ 
habt hätten. Kurz, es schien sich jetzt Alles zu vereinigen, 
Frankreich zu Grunde zu richten. Selbst in der königlichen 
Familie war der allergrößte Unfriede. Die Königin Jsabeau, 
eine bairische Prinzessin, eine häßliche, herrschsüchtige Frau, ver¬ 
uneinigte sich mit ihrem eigenen Sohne, dem Dauphin*) Karl, 
weil sie zur Burgundschen, er aber zur Orleansschen Partei be- 
*) Dauphin wurde der älteste Sohn des Königs schon seit 70 Jahren ge¬ 
nannt. Die Provinz Dauphine nämlich hatte bis dahin einen eigenen Herrn, 
der Dauphin genannt wurde. Der letzte dieser Dauphins, Humbert, hatte 
einen einzigen Sohn, den er sehr liebte. Als er einst mit dem Knaben über die 
Rhone fuhr, entfiel ihm dieser ans den Armen in den Fluß und ertrank vor 
seinen Augen. Seitdem hatte der armh Mann keinen frohen Augenblick mehr. 
Er überließ sein Land dem damaligen Könige von Frankreich, unter der Be¬ 
dingung, daß alle Mal der Thronfolger den Titel Dauphin führen sollte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.