264 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Frankreich.
König gestellt habe? „SBeil", war die Antwort, „Die, welche alle
Gefahren mit ihm getheilt hatte, auch an der Ehre Theil neh¬
men mußte." — „Aber," fragte man endlich, „wie abscheulich war
es doch, daß du als Jungfrau dir anmaßtest, über Männer den
Oberbefehl im Kriege zu führen!" — „Das sehe ich nicht ein,"
antwortete sie, „denn ich hielt Alles für erlaubt, um die Eng¬
länder aus Frankreich zu vertreiben und mein Vaterland zu be¬
freien." Da man ihr weiter nichts anhaben konnte, so sprachen
endlich die geistlichen Richter das Urtheil, sie fei eine Ketzerin;
ihre angeblichen Offenbarungen feien nichts als Eingebungen des
Teufels und sie fei daher dem weltlichen Arme zu überliefern.
Der Gedanke, nun verbrannt zu werden, warf endlich ihren gan¬
zen Muth danieder, der schon durch die lange Gefangenschaft ge¬
brochen war. Sie legte sich aufs Bitten und versprach, ihre
Offenbarungen zu widerrufen und nie wieder dergleichen vorzu¬
geben. „Gut!" sagten die Richter, „dann soll deine Strafe ge¬
mildert werden; du sollst — auf Zeitlebens bei Wasser und Brod
im Gefängniß bleiben!" — Aber bald bereuten sie, daß sie das
Mädchen nicht lieber aus der Welt geschafft hätten, und dachten
auf einen Vorwand, es noch zu thun. Sie hatte unter Anderm
versprechen müssen, nie wieder Mannskleider zu tragen. Ihre
Feinde hängten nun solche Kleider in ihr Gefängniß. Sobald
Johanna sie sah, wachten die alten Gedanken wieder mit aller
Lebhaftigkeit auf. Sie konnte dem Triebe nicht widerstehen, sie
anzuziehen und sich in ihnen in die glücklichen Tage ihrer krie¬
gerischen Thätigkeit zurückzuträumen. Da rauschte plötzlich die
Thüre auf; ihre Gefangenwärter überraschten sie in der verbo¬
tenen Tracht, und nun half kein Bitten und Flehen und Ver¬
sprechen. Es hieß, sie sei eine zurückgefallene Ketzerin und müsse
daher sterben. Dies Urtheil wurde 1430 wirklich an ihr voll¬
zogen und sie auf dem Marktplatze von Rouen verbrannt. Selbst
der Scharfrichter war durch die Hinrichtung des unschuldigen
Mädchens so ergriffen, daß er, so wie zwei ihrer Richter, nach¬
her die heftigsten Gewissensbisse über seinen Antheil daran em¬
pfand, und als 24 Jahre später die Verwandten der Jungfrau
es dahin brachten, daß die Acten ihres Processes noch einmal
nachgesehen wurden, fand es sich auch, daß nur die Ränke der
Priester sie schuldig gemacht hatten. Nun wurde sie, freilich zu
spät, für unschuldig erklärt. Man errichtete ihv in Orleans mit
Recht eine Ehrensäule und noch bis ans den heutigen Tag wird