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dann dünkt uns die Welt viel schöner und die Arbeit viel leichter
als vorher: denn Liebe. Demut und gläubige Hoffnung verklären
alles und iiberwinden alles. «
165. Ein Grab.
1. Es liegen Veilchen dunkel¬
blau
auf einem Grab im Abendlau,
ein kleines Mädchen kniet davor
und hebt die Hände fromm empor:
2. „O sagt, ihr Veilchen, in der
Nacht
der Mutter, was der Vater macht,
daß ich schon stricken kann, und daß
ich tausendmal sie grüßen laß."
Hermann von Gilm.
166. Allerseelen.
1. Wenn dir ein Liebstes ist geschieden,
o laß es nicht so einsam ruhn!
Wohl schläft es sanft, hat seinen Frieden,
doch kannst du Sel'ges an ihm tun:
2. Wirst du an seinem armen Hügel
zu stiller Zwiesprach' niederknien,
gibst du dem Toten Engelsflügel,
magst ihn aus seinem Dunkeln ziehn.
3. Du hörst das Rauschen vom Gewände,
hörst seinen Gruß. derweil du weinst:
„Ich denke dein im Schattenlande,
ich liebe dich, wie einst — wie einst —!"
4. Es streichelt dich mit weichen Händen,
vergilt dir jedes Fragewort:
und ist's genug, und willst du enden:
ein Kuß — dann wallt es schweigend fort.
5. Tot bleibt nur der, um den zu werben
nicht mehr der Sehnsucht Füße gehn;
doch Liebe zwingt's noch nach dem Sterben,
daß ihre Toten auferstehn. Viktor Blüihge».
167.
1. Mag auch die Liebe weinen:
es kommt ein Tag des Herrn;
es muß ein Morgenstern
nach dunkler Nacht erscheinen!
Trost.
2. Mag auch der Glaube zagen :
ein Tag des Lichtes naht;
zur Heimat führt sein Pfad,
aus Dämm'rung muß es tagen!
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