Full text: Lesebuch für die reifere weibliche Jugend

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zusetzen sucht, um sich selbst in ein günstigeres Licht zu stellen. Er¬ 
zähle auch nie Geschichten auf bloßes Hörensagen nach! Wer als 
Verbreiter von Neuigkeiten bekannt ist, wird bei den Menschen 
wenig Vertrauen genießen. Wer aber Bemerkungen weiter trägt, 
die die Ehre des Nächsten verletzen, kann durch das Gesetz empfind¬ 
lich bestraft werden. 
Halte dich nie über die Körperbildung and¬ 
rer auf! Es ist nichts kränkender, als jemand seiner natür¬ 
lichen Gebrechen wegen zu verspotten. In der Gesellschaft können 
uns oft einzelne Personen durch ihre Manieren, durch ihre Sprache 
und Gebärden lächerlich erscheinen. Dann gehört es zum guten 
Ton. jede Äußerung des Befremdens durch Worte, Blicke oder 
durch ein Lächeln zu unterdrücken, überhaupt sündigt man gegen 
den Anstand, wenn man sich in gesellschaftlichem Kreise durch 
Zeichen verständigt oder leise spricht und in letzterm Falle noch die 
Person, von der die Rede ist. ansieht. 
Fremden gegenüber sei vorsichtig! Man trachte 
danach, im Verkehr mit diesen sich eine gewisse Leichtigkeit und 
Gewandtheit anzueignen, zwanglos ein Gespräch anzuknüpfen und 
schnell ein Urteil zu gewinnen, wen man vor sich habe. Schenke 
einem Fremden erst dann dein Vertrauen, wenn du von seiner 
Redlichkeit durch Proben überzeugt worden bist. Es ist kein 
Fehler, durch äußere Zeichen den Unterschied zu zeigen, in wel¬ 
chem Grade die Mitmenschen unserm Herzen nahe stehen. Eine 
innige Umarmung, ein warmer Händedruck, ein herzlicher Gruß 
sind Zeichen der Achtung und Wertschätzung, die man nur für treue 
Freunde aufspart. Wer mit diesen Zeichen verschwenderisch um¬ 
geht, nimmt ihnen ihren Wert. In guter Gesellschaft ist es Sitte, 
daß man auch während eines kurzen Beisammenseins dem Be¬ 
gegnenden etwas Verbindliches und Angenehmes sagt. 
Zum Umgänge erwähle dir erfahrene und 
verständigeLeute! Mit diesen suche dich zu befreunden und 
einzuleben! Erweitere aber deinen Bekanntenkreis nicht in einer 
Weise, daß der Umgang zu einem ausgebreiteten Verkehr wird! 
Vor allem dürfen durch gesellschaftliche Pflichten die Berufs¬ 
pflichten in keiner Weise vernachlässigt werden. 
Suche dir Freunde zu gewinnen, aber nicht 
jene. die nur Ruhm und Reichtum anlockt! Die 
dauerhaftesten und innigsten Freundschaften werden in der Jugend 
geschlossen, wo die Herzen noch wärmer schlagen und Gewohn¬ 
heiten und Vorurteile kein Hindernis bilden. Selbst bei dem vor¬ 
sichtigsten Benehmen wird ein charaktervoller Mensch Feinde haben. 
Man verzichte darauf, ihre Feindseligkeiten zu erwidern. Ein 
ruhiges, gleichmütiges Betragen ihrem Tun gegenüber, eine Nicht¬ 
beachtung ihrer Feindseligkeiten wird ihr Bemühen bald abkühlen. 
Wer fremd in eine geschlossene Gesellschaft 
tritt, empfiehlt sich in er st er Linie durch das 
vorteilhafte Äußere seiner Persönlichkeit. Wir
	        
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