6
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
auf der Weide und das galoppierende Füllen, Waldesgrün mid Wiesen¬
duft eine Erquickung des Herzens; aber kräftiger, stolzer, edler ist das
Behagen des Mannes, der mit dem Bewußtsein über seine Flur
schreitet: dies ist alles mein; meine Kraft erschuf es, und mir ge¬
reicht es zum Segen. Denn nicht in mühelosem Genuß betrachtet
er die Bilder, welche ihm die Natur entgegenhält. An jeden Blick
knüpft sich ein Wunsch, an jeden Eindruck ein Vorsatz, jedes Ding
hat für ihn einen Zweck; denn alles, das fruchtbare Feld, das Tier
und der Mensch, soll Neues schaffen nach seinem Willen, dem Willen
des Gebieters. Die tägliche Arbeit ist sein Genuß, und in diesem
Genusse wächst seine Kraft. — So lebt der Mann, welcher selbst
der arbeitsame Wirt feines Gutes ist.
Und dreimal glücklich der Herr eines Grundes, auf dem durch
mehrere Menscheualter ein starker Kampf gegen die rohen Launen der
Natur geführt ist. Die Pflugschar greift tief in den gereinigten
Boden; anspruchsvolle Kulturpflanzen breiten ihre Blätter in üppiger
Pracht; auf den Stengeln bräunen sich große Dolden und körnerreiche
Schoten, und unten in der Erde rundet sich mächtig die fleischige
Wurzel. Darm kommt die Zeit, in der sich die kunstvolle Judustrie auf
den Ackerschollen ansiedelt. Dann ziehen die abenteuerlichen Gestalten
der Maschinen nach dem Wirtschaftshof; der ungeheure Kupferkessel
fährt mit Blumen bekränzt heran; große Räder mit hundert Zähnen
drehen sich gehorsam im Kreise; lange Röhren verschlingen sich in
den neugebauten Räumen, und die mechanischen Gelenke bewegen sich
rastlos bei Tag und Nacht. Eine edle Industrie! Sie erblüht aus
der Kraft des Bodens und vergrößert wieder diese Kraft. Wo der
eigene Grund des Gutes seine Früchte der Fabrik reichlich spendet, da
arbeiten im Freien die uralte Pflugschar, im gemauerten Haus der
neue Dampfkessel brüderlich miteinander, um ihren Herrn reicher zu
machen, stattlicher und weiser. So lange er nur die alten Halmfrüchte
baute, die grüne Nahrung der Tiere und die runde Knollenfrucht,
waren die Preise auf dem nächsten Wochenmarkte vielleicht das, was
ihn in der fremden Welt am meisten interessierte, und wenn der
Bauer im Dorfe gegen ihn auftrumpfte, so war ihm das vielleicht der
größte Ärger, Und mit abschließendem Stolze sah er aus seinem
umgrenzten Kreise, wie in die blaue Ferne hinein, in das geschäftige
Treiben der großen Städte, in die verwickelten Verhältnisse, welche
durch eine neue Zeit geschaffen sind. Jetzt steht er selbst mitten
zwischen den Rädern des modernen Schaffens; er beobachtet viele
Strömungen des menschlichen Geistes auch außerhalb seiner Feldmark.
Viele Gesetze des Lebens lernt er kennen und viele Gedanken der
Menschen; er gewinnt einen andern Maßstab für den Wert des
Mannes, jetzt, wo er das Gewühl des Marktes, das Arbeitszimmer
des Gelehrten auch für sich braucht. Er knüpft seine Fäden an Leute
von anderem Berufe, und Fremde freuen sich, ihm die Hand zu reichen
und ihren Vorteil mit dem seinigen zu verbinden. Immer größer
werden die Kreise, in welche ihn sein Interesse zieht, immer mächtiger
der Einfluß, den er auf andere gewinnt.