I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
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habe, wollte ich lieber aufnehmen als dich. Wie trotzig zogst du in
die Welt! Da hat manches Herz um deinetwilletr geseufzt, und mancher
ehrliche Mann ist durch dich des Seinen beraubt worden. Gedenke an
meine Träume! Zum Teil sind sie schon eingetroffen, denn blind und
verstümmelt bist du heimgekehrt. Nun wird sich auch das Ende meines
Traumes erfüllen, und darum will ich dich nicht aufnehmen. Knecht,
schließe das Tor und stoße den Riegel vor!" Der Vater war ins Haus
gegangen. Die doppelt unglückliche Mutter, die au dem Unglücke ihres
Sohnes einen großen Teil der Schuld trug und den Unglücklichen nicht
in ihr Haus aufnehmen durste, holte ein Brot herbei und gab es
ihrem Kinde, dann ging der Blinde an der Hattd seines Führers
dahin; die Bauern aber riefen ihm nach: „Ja, Dieb Helmbrecht,
hättest du den Pflug zur Hand genommen, so brauchtest du jetzt
nicht den Blindenstecken zu tragen."
Ein Jahr lang litt der Blinde Not. Da ging er eines Morgens
durch einen Wald, in welchem Bauern Holz fällten. Als sie ihn sahen,
sprach der eine: „Da kommt der Blinde, der mir einst eine Kuh geraubt
hat." Ein anderer sprach: „Ich will ihn zerreißen in Stückchen, die
kleiner sind als Sonnenstäubchen, denn er hat mir und meinen Kindern
die Kleider vom Leibe gestohlen." Der dritte sprach: „Mir hat er
meine Hütte aufgebrochen und daraus genommen alles, was ich hatte."
Alle stürzten mit Geschrei auf Helmbrecht los. „Nimm deine schöne
Mütze in acht, mit der du so geprahlt hast!" riefen sie ihm höhnend
zu und fielen über ihn her und zerzausten ihm Haar und Mütze.
Endlich ließen sie ihn seine Beichte sprechen, dann hingen sie ihn an
einen Baum. So ging des Vaters Traum völlig in Erfüllung, zur
Warnung allen Kindern, die Vater und Mutter nicht achten wollen.
Alb. Richter nach Gust. Freytag.'
8. Schwert und Pflug.
1. Einst war ein Graf, so geht die Mär, der fühlte, daß er sterbe;
die beiden Söhne rief er her, zu teilen Hab' und Erbe.
2. Nach einem Pflug, nach einen: Schwert rief da der alte Degen;
das brachten ihm die Söhne wert. Da gab er seinen Segen:
3. „Mein erster Sohn, mein stärkster Sproß, du sollst das Schwert
behalten,
die Berge mit dem stolzen Schloß, und aller Ehren walten.
4. Doch dir, nicht minder liebes Kind, dir sei der Pflug gegeben
im Tal, wo stille Hütten sind, dort magst du friedlich leben."
5. So starb der lebensmüde Greis, als er sein Gut vergeben.
Die Söhne hielten sein Geheiß treu durch ihr ganzes Leben.