I. Der Bauernstand sonst und jetzt. 9
kommen sahen. Er aber tat, als ob er ein fremder Herr sei und
mengte in seine Rede bald französische, bald böhmische, bald nieder¬
deutsche Brocken. Da sprach der Vater, das könne sein Sohn nicht
sein, und er wolle ihn nicht im Hause behalten. Weil es aber schon
spät war und Helmbrecht nirgend anders unterkommen konnte, gab er
sich endlich zu erkennen; doch nun wollte der Vater Beweise haben,
ob er auch sein Sohn sei, und er verlangte, daß ihm der Angekommene
die Namen der vier Ochsen nenne, die im Stalle standen. Das konnte
der Sohn, und nun ward er wohl empfangen. Er ward auf das beste
bewirtet, und auch ein gebratenes Huhn fehlte nicht auf dem Tische.
Auch ein Herr hätte mit solcher Mahlzeit wohl zufrieden sein dürfen.
Nach dem Essen fragte der Vater, wie es jetzt auf den Burgen der
Ritter zugehe, und er schilderte, wie es in seiner Jugend daselbst zu¬
gegangen sei. Damals hätten die Ritter, erzählte er, mit allerlei
ritterlichen Spielen den Tag verbracht, und die Frauen Hütten mit
Freuden zugesehen. Dann hätten sie gesungen und getanzt; ein Spiel¬
mann habe die Geige gestrichen, und endlich habe man am Feuer des
Kamins allerlei alte Sagen, z. B. vom Herzog Ernst, erzählt oder
vorgelesen. Damals sei der Schlimmste wohl besser gewesen als jetzt
der Beste, da habe Recht und Gesetz gegolten; Treulose oder solche mit
üblen Sitten habe man nicht geduldet. Darauf lobte der Sohn das
Leben der jetzigen Ritter. Da trinke man den ganzen Tag und fahre
auf Raub aus, und es sei ein gar lustiges Leben. Wenn er nicht
von dem weiten Ritte gar zu ermüdet wäre und gern schlafen möchte,
könnte er wohl manchen lustigen Streich erzählen, den er selbst mit
erlebt habe. Am andern Tage verteilte er die Geschenke, die er den
Seinigen mitgebracht hatte. Seinem Vater gab er einen guten Wetz¬
stein, der Mutter einen schönen Fuchspelz, der Schwester aber seidene
Bänder und einen gestickten Gürtel. Doch sagte er nicht, daß er alle
diese Sachen auf seinen Raubzügen erbeutet hatte.
Etliche Tage blieb Helmbrecht bei den Seinigen, dann aber ward
ihm die Zeit lang, und er sehnte sich nach der Gesellschaft seiner Raub¬
gesellen. Als er sich wieder aufmachen wollte, machte ihm der Vater
wieder die eindringlichsten Vorstellungen, aber nichts konnte ihn zurück¬
halten; er war zu sehr schon an das Verbrechen gewöhnt. Mit un¬
verhohlener Freude erzählte er von seinen und seiner Genoffen Schand¬
taten, wie sie selbst in bitterer Winterkälte den von ihnen Beraubten
kein Kleid auf dem Leibe gelassen, wie sie den Bauern Pferde, Ochsen
und Kühe aus den Höfen getrieben, wie er selbst einen Bauern in
einen Ameisenhaufen gebunden habe und andere Schandtaten mehr.
Da mahnte ihn der Vater noch einmal, sich vor dem Galgen zu hüten,
damit sein Traum nicht in Erfüllung gehe; der Sohn nahm aber
solche Rede so übel, daß er erklärte, er wolle nun auch seines Vaters
Gut nicht länger vor seinen Raubgesellen schützen. Auch erzählte er,
wie er vorgehabt, seine Schwester mit dem vornehmsten seiner Raub¬
gesellen, der den Übernamen Lämmerschling führte, zu vermählen, das
wollte er aber nun unterlassen. Dann ritt er noch immer drohend
davon. Gotelind, Helmbrechts Schwester, hatte die Rede ihres Bruders